Ostpreußen-Warte, Folge 03 vom März 1956

Ostpreußen-Warte

Folge 03 vom März 1956

 

Seite 1   Foto: Ausblick von der Allee auf die im Jahre 1334 erbaute Ordensburg Allenstein. Aufn: Löhrich.

 

 

Seite 1   Das Heute nicht versäumen – das Morgen wollen! Über dem Recht auf Heimat stehen die Pflichten an der Heimat – Liebe, Glauben und Wille weisen den Weg.

Wo Immer seil 1945 Heimatvertriebene und Flüchtlinge von Landsmann zu Landsmann miteinander sprechen oder sich zu machtvollen Kundgebungen und bewegenden Feierstunden vereinen, kommt aus dem Munde des einzelnen und steht über dem Ganzen das Wort vom Recht auf Heimat. Bezeichnend, erregend, dass ein solcher Begriff Im 20. Jahrhundert erst seine Prägung finden musste, dass Staatsrechtler und Staatsmänner die Aufgabe haben, das Recht auf Heimat, das ursprünglichste und natürlichste Menschenrecht, international zu verankern, sowohl das Individuum als auch die Völker vor künftigen Vertreibungen zu schützen, nachdem in den letzten Jahren und Jahrzehnten ungezählte Menschen in aller Welt den angestammten, den von Gott vererbten und überantworteten Boden, unter Gewalt und Grausamkeit verlassen mussten.

 

Es geht uns Ostpreußen und uns Ostdeutschen in erster Linie um unsere Heimat, um das Land jenseits von Oder und Neiße, aber wir dürfen auf die Heimkehr nur hoffen, wenn wir unsere Vertreibung und die Überwindung unseres Schicksals in den großen Zusammenhängen schauen, wenn wir uns in den Dienst einer umfassenden geistigen ethischen und gesellschaftlichen Erneuerung stellten, nach der die Verhältnisse in Europa ungleicher Weise wie auf allen anderen Kontinenten rufen.

 

Dass wir uns nicht täuschen, dass wir uns nicht in Illusionen wiegen, dass wir nicht meinen, das verbriefte Recht auf Heimat wäre bereits das Tor, durch das es eines Tages fast automatisch wieder ostwärts geht, durch das es zurückgeht ... Zurückgeht? Lasst es euch sagen und sagt es immer wieder euch selbst und den anderen: Es gibt kein Zurück in des Wortes allgemeiner Bedeutung. Wenn jemals der Vorhang an Oder und Neiße sich hebt, wird alles anders sein: die Städte, die Landschaft, die Menschen — wir selbst — du und ich werden anders, werden gewandelt und geändert, werden — so lasst uns streben — gewachsen und geläutert sein. Nicht die Anerkennung des Rechts auf Heimat, auch nicht die Verwirklichung dieses Rechtes, sondern die Bewährung in der daraus erwachsenden Aufgabe, das klare Bekenntnis zu unseren Pflichten heute und morgen — das ist das alles Überragende. Über dem Recht auf Heimat stehen die Pflichten an der Heimat, steht die Liebe zur Heimat, steht das Geistige Bewusstsein der Heimat, steht die Notwendigkeit, dass wir es todernst meinen, wenn wir von der Heimat künden und sie wieder in unseren Besitz wünschen.

 

Nicht zurück, sondern voranschreiten, nicht Verharren in der Vergangenheit, sondern lebendiges Wollen des Morgen, lebendiges Wollen des Neuen, lebendiges Wollen des Anderen und Größeren, lebendiger Einsatz unseres ganzen Ichs und unseres ganzen Volkes — ist die Parole, die dem zweiten Abschnitt des Weges, dem noch längeren und noch härteren, die Richtung zu weisen hat. Das Recht auf Heimat verliert da seine Gültigkeit, wo wir es durch unser eigenes Denken und Handeln, durch unser eigenes Nichtdenken und Nichthandeln, durch unverbindliches Träumen und Verweilen, verwirken, wo wir in uns die Heimat aufgeben. Aber mit noch so intensiver geistiger Arbeit, mit noch so unablässigem Wollen ist es ebenfalls nicht getan: Allein die Tat, die des einzelnen, die Tat in der Gemeinschaft, die Tat im Volke und in den Völkern, allein der Wagemut und das Gebären neuer Ideen und neuer Vorstellungen von der Ordnung der menschlichen Beziehungen sind es, die Ostpreußen und Ostdeutschland eine Zukunft im deutschen, im wahrhaft europäischen Sinne verbürgen. Wie aber steht es um unsere Taten, wie aber steht es um unseren Einsatz, wie aber steht es um unsere Opferbereitschaft für große Ziele? Verbirgt sich hinter unseren vollauf begründeten Forderungen nach wirtschaftlicher Eingliederung nicht vielfach der Wunsch, an dem bequemen und verantwortungslosen Leben von Millionen an unserer Seite Anteil zu haben, befinden wir uns nicht in der Gefahr, derselben Trägheit anheimzufallen und die Heimat auf die Stufe wirklichkeitsferner Romantik und oberflächlicher Zerstreuung zu rücken? Wozu benutzen wir die wirtschaftliche Eingliederung, wenn wir sie erreicht haben, welche inneren Kräfte wollen wir damit freigelegt wissen: — die Beantwortung dieser Frage ist unendlich viel wichtiger, als die bloße Vermittlung eines Arbeitsplatzes und die Beschaffung von lange entbehrtem Hausrat. Wenn wir mit dem satten Gefühl, das Recht auf Heimat dokumentiert erhalten zu haben oder in absehbarer Zeit dokumentiert zu bekommen, uns auf dem Sofa niederstrecken und uns nach und nach auch von dem betörenden Rausch des „Wirtschaftswunders" gefangen nehmen und blenden lassen, dann bleibt alles wie es ist, dann wird alles in der Welt noch friedloser und noch zerrissener und bedrohlicher, dann finden wir nicht die Brücke aus der Vergangenheit, an der wir hängen und nach der wir uns manchmal verzehren, in die Zukunft, einfach deshalb, weil, die das Heute versäumen, weil wir die Geschichte über uns hinwegrollen lassen, dann haben wir — du und ich, wir alle — die Heimat abgeschrieben, dann bereiten wir dem verbrieften Recht auf Heimat das Begräbnis.

 

Darum, Landsleute: Lasst uns weniger von dem Recht auf Heimat, lasst uns mehr von den Pflichten an der Heimat sprechen, lasst uns vor allem in tätiger Liebe für die  Heimat wirken. Lasst uns mit allen Kräften eine Aufgabe erkennen und erfüllen, und wenn es noch so verzweifelt schwer ist, sie zu finden. Lasst uns aus jeder Vereinzelung heraustreten, aus jeder Isolierung und Verbitterung. Schließt die Reihen der Landsmannschaft und der anderen Vertriebenenverbände fester, aber reicht — wo ihr nur könnt — den Westdeutschen, unseren Brüdern und Schwestern, die Hand. Verlangt von ihnen nicht nur, dass sie etwas für unsere Heimat und für uns tun. Tut selbst das euch Mögliche für die westdeutsche Heimat, gleich unserer ostdeutschen ein Teil der gesamtdeutschen Heimat. Nehmt Anteil an jedem Ringen um neue geistige und ethische Werte, um soziale Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich, stellt euch überall in die vorderste Linie, wo es um das Gemeinsame, wo es um die Gemeinschaft, aber auch wo es um den einzelnen Menschen geht.

 

Sowohl um den einzelnen Menschen als auch um die Gemeinschaft geht es, wenn wir von der Wiedervereinigung sprechen, von der Wiedervereinigung zunächst nur mit Mitteldeutschland als dem ersten Schritt der Wiederherstellung Gesamtdeutschlands. Wir können und dürfen heute und morgen nicht allein Ostpreußen fordern, allein an Ostpreußen denken und für dieses Ostpreußen etwas wagen, wenn heute und morgen erst die 18 Millionen deutschen zwischen Elbe und Oder wieder mit uns und wir mit ihnen zusammengeführt werden müssen. Berlin, Dresden, Rostock — das sind die Namen, die jetzt in erster Linie unseren Blick und unseren Einsatz, unseren Geist, unser Herz und unsere Tat, verlangen. Königsberg und Breslau stehen dahinter, freilich nicht darunter, vielmehr darüber. Preußen, unsere Heimat, war größer als Ost- und Westpreußen, ihr Geist und ihr Sittengesetz, ihre staatlichen Ordnungsprinzipien bestimmten Deutschland und seine Geschicke schlechthin.

 

Und so kann und muss es abermals sein: Aus dem der Tradition bewussten und der Zukunft verpflichteten und die Zukunft wollenden Preußentum, aus einem Charakter und einer Haltung, die Preußentum an sich sind, werden die politischen Ströme losgelöst oder bestimmt, die zunächst die Mitte Deutschland und die Mitte Europas über alle Ideologien und Systeme hinweg, die in diesem Räume fremd sind, wieder zusammenfassen, die das Herz Deutschlands wieder schlagen lassen, auf dass der ganze Körper sich wiederfinde und wiederaufrichte, jener Körper, der für uns die Nation ist. Dieser Körper wird leben, ihm werden neue oder auch alte Glieder zuwachsen, sofern wir alle den Glauben und den unbeugsamen Willen dazu haben! Norbert Mannhart

 

 

Seite 1   Verzicht oder Gedankenlosigkeit? Von Richard Reitzner MdB.

Einige Tage hing im Bundeshaus eine große Landkarte Deutschlands, die auch Teile des böhmisch-mährischen und schlesischen Raumes umfasste. Eger heißt auf dieser Karte Cheb, Bodenbach Podmoky und Reichenbach Liberec. Alle Ortsnamen sind tschechisch eingezeichnet. Aber nicht genug damit: Deutschland endet auf dieser Karte bei der Oder-Neiße-Linie. Von solchen Landkarten und ähnlichen Atlanten war im der letzten Zeit öfter die Rede. Sie zeigen in großen britischen Universitätsverlagen und auch anderwärts Deutschland so, wie es die Ostblockstaaten zu sehen und zu erhalten wünschen. Wer z. B. mit der Königlich Niederländischen Luftfahrtgesellschaft fliegt, erhält einen Atlas in die Hand gedrückt, in dem die einzelnen Routen der KLM eingetragen sind. Polska reicht bis zur Oder-Neiße-Linie. Für Danzig steht Gdansk, für Breslau Wroclaw. Dabei überfliegt die KLM weder Polen noch die Sowjetunion; viele Fluggäste aber sind Deutsche. Solches geschieht bei unseren Verbündeten in Holland, England und Frankreich. Sie verbeugen sich vor Tatsachen und zwinkern freundlich nach Osten zu mit den Augen... Unglaublich, dass ähnliches auch in Deutschland und, was die Atlanten betrifft, am grünen Holz des Deutschen Bundestages möglich ist. Nach meinem Protest wurde schließlich die Landkarte abgenommen. Nun, ich will der Verwaltung des Deutschen Bundestages nicht unterstellen, dass sie, als diese Landkarte angebracht wurde, den 1945 geschaffenen Veränderungen zustimmen möchte. Wahrscheinlich haben wir es dabei hier und dort mit einer nicht seltenen Gedankenlosigkeit zu tun. Manchmal mögen ein falsches Entspannungsbedürfnis und auch stillschweigender Verzicht mitsprechen. Wie dem auch sei, Landkarten und Atlanten sind nicht allein technische Behelfe, sie sind politisch- und pädagogische Ausdrucksformen und sollten auch als solche gewertet werden. Deshalb dürfen sie nicht den Wünschen der Machthaber in den Satellitenstaaten entgegenkommen.

 

Solange unser Protest und unsere Stimmen gegen einen rechtswidrigen Zustand hörbar sind, solange wird man auch in Polen und in der Tschechoslowakei die Vertreibung und die Lostrennung deutscher Gebiete nur als ein Provisorium ansehen. Erst wenn wir schweigen, wird die Oder-Neiße-Linie im Bewusstsein der Welt als Definitivum aufscheinen. Die Heimatkundgebungen der Vertriebenen sind daher das notwendige und unruhige Gewissen der polnischen und tschechischen Herrschenden und auch eine Mahnung an die westliche Welt. Ich darf daran erinnern, dass Frankreich 40 Jahre lang die Deputiertensitze Elsaß-Lothringen in der französischen Nationalversammlung freigehalten hat.

 

Gleichzeitig soll aber insbesondere in den Kreisen der Heimatvertriebenen nicht übersehen werden, dass das Recht auf die Heimat nicht allein in der bisherigen proklamierten Form als Monolog gefordert werden kann. Das Heimatrecht sollte stärker und durchdachter als bisher im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands und mit den Lebensbedürfnissen unserer slawischen Nachbarn gesehen werden.

 

Ich möchte nicht missverstanden werden; man sagt uns Heimatvertriebenen oft, wir sollten die Dinge so sehen, wie sie sind, und „realistisch“ sein. Natürlich ist es nicht unbekannt, dass bei Eschwege an der Werra ein großer weitleuchtender Sowjetstern steht. Das Kardinalproblem ist auch nicht das Spekulieren um zukünftige Grenzen. Wir sollten auch weniger Historiker und mehr aufmerksame Beobachter der Gegenwart sein; unser eigenes Verantwortungsbewusstsein vertiefen und sich nicht an die Ungerechtigkeit gewöhnen. Wenn die friedliche und dauerhafte Neuordnung geschehen soll, dann muss die Achtung vor den Menschenrechten und der Respekt vor der Freiheit des Individuums — und auch unser eigenes Denken und Wollen — stärker werden.

 

 

Seite 2   Lastenausgleichs-Schlussgesetz letzte Chance

Wir haben bereits vor mehreren Monaten nachdrücklich darauf verwiesen, dass es bei der Verabschiedung des Lastenausgleichs-Schlussgesetzes, die in diesem Jahre erfolgen soll, darauf ankommt, vieles nachzuholen, was bei der Lastenausgleichsgesetzgebung versäumt wurde. Wenn Unrecht jetzt nicht endlich beseitigt wird, ist es ein für allemal zu spät und werden die Folgen in ernstester und gefährlichster Form über das Volksganze hereinbrechen. Für die Geschädigtenorganisationen, insbesondere den BVD, ist erneut der Augenblick höchster Wachsamkeit und kämpferischen Einsatzes gekommen. Wir bringen nachstehend eine zusammenfassende Darstellung des ganzen bisherigen Lastenausgleichs sowie seiner Mängel und darüber hinaus der Notwendigkeiten, die sich für das Lastenausgleichsschlussgesetz ergeben.

 

Das nominelle Vermögen des deutschen Volkes (in Gestalt von Spar- und Bankguthaben, Wertpapieren, Geldscheinen, Kriegsschädenansprüchen, Forderungen und Eigentum sonstiger Art) betrug nach Beendigung des letzten Krieges schätzungsweise rund eine Billion RM. Das reale deutsche Vermögen (bestehend aus Boden, Gebäuden, Produktionsmitteln, Inventar, Warenvorräten, Kapitalanlagen im Ausland, Devisen, Gold etc.), das sich im Jahre 1938 noch auf etwa 420 Milliarden belief, war infolge der durch den Krieg entstandenen Verluste bis Ende 1945 auf schätzungsweise 200 Milliarden RM — gemessen an der Vorkriegskaufkraft der RM — zusammengeschrumpft. Nach Beendigung des Krieges verfügten daher eigentlich nur noch diejenigen über wirkliches Vermögen, die einen Anteil an dem noch verbliebenen realen deutschen Volksvermögen besaßen, also Eigentümer von Sachwerten waren oder Anteilsrechte an Sachwerten hatten. (Zum Beispiel: Aktien).

 

Die Differenz zwischen dem fiktiven deutschen Nominalvermögen von einer Billion RM und dem effektiven deutschen Volksvermögen von etwa 200 Milliarden RM, d. h. etwa 80 Prozent des Nominalvermögens, war am Ende des Krieges verloren gegangen.

 

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches war es ein selbstverständliches und dringendes Gebot der Gerechtigkeit, die Lasten des Krieges nachträglich etwa gleichmäßig auf alle Schultern zu verteilen und zu Gunsten der Geschädigten diejenigen mit der gleichen Quote zu den Schäden heranzuziehen, deren Besitz durch ein gnädiges Geschick vor den Gewalten der Vernichtung verschont geblieben ist.

 

Es kam also darauf an, die noch vorhandenen Sachwerte in Höhe von etwa 75 bis 80 Prozent zu belasten und das auf diese Weise erfasste Vermögen anteilsmäßig auf die Vertriebenen, Ausgebomten, Sparer, Gläubiger von Geldforderungen und die sonst Geschädigten so zu verteilen, dass die Schadensquote letztlich für jedermann gleich war.

 

Der Ausgleich wurde verschleppt.

Eine entsprechende Vermögensabgabe wäre, wenn sie möglichst bald nach Beendigung des Krieges in einer für die Abgabepflichtigen tragbaren Form durchgeführt worden wäre, von diesen nicht als besondere Härte empfunden worden. Ein unkomplizierter und schnell in Gang gebrachter Lastenausgleich hätte andererseits die Nöte des Millionenheeres der Vertriebenen und Bombengeschädigten sowie der von sonstigen Schaden Betroffenen bald mildem können. Zu Spannungen zwischen den ungleich von den Kriegsfolgen betroffenen Bevölkerungskreisen wäre es nicht gekommen.

 

Die trotz des notwendigen Wiederaufbaues und des riesigen Nachholbedarfs seit 1945 bestehende Arbeitslosigkeit hätte viel schneller beseitigt werden können, und die seit damals unverminderte Kapitalnot wäre im Verlaufe der permanenten Vollbetriebswirtschaft bei ständig zunehmender Kapitalneubildung schon längst überwunden.

 

Obgleich die deutschen gesetzgebenden Stellen und die politischen Parteien aller Schattierungen schon in den ersten Jahren nach dem Kriege laut und wiederholt beteuert haben, sie würden für einen baldigen Lastenausgleich sorgen geschah zunächst überhaupt nichts. Die drei Jahre nach Kriegsende von den Alliierten angeordnete sogenannte „Währungsumstellung" schuf zu dem bestehenden Unrecht in der Lastenverteilung neues Unrecht. Dem kleinen Mann, der seine Ersparnisse bei den Banken und Sparkassen angelegt hatte, wurden nur 6,5 Prozent seiner RM-Einlagen in DM umgestellt. Da die Kopfquoten bei der Umstellung angerechnet wurden, verloren viele Millionen der kleinen Sparer, insbesondere die kinderreichen, ihre Ersparnisse sogar 100-prozentig. Den Inhabern von einstigen Geldforderungen wurden hingegen 10 Prozent zugesagt, und die Besitzer von Sachwerten konnten — abgesehen von den Soforthilfeabgaben — zunächst über ihr volles Vermögen verfügen.  

 

Obwohl in der Präambel zum Währungsgesetz von den Alliierten ausdrücklich festgelegt war, dass den deutschen gesetzgebenden Stellen die Regelung des Lastenausgleichs als dringende bis zum 31.12.1948 zu lösende Aufgabe übertragen worden ist, sind weitere 4 Jahre vergangen, bis das Lastenausgleichsgesetz vorgelegen hat. Die deutschen gesetzgebenden Stellen, die sich sonst gewöhnlich bei der Durchführung alliierter Anordnungen vor Eifer überschlugen, hatten in Bezug auf die rasche Durchführung des Lastenausgleiches völlig versagt. Sie taten vielmehr alles nur menschenmögliche, um seine Verwirklichung möglichst lange zu verschleppen.

 

 

Seite 2   Lastenausgleichsgesetz ein fauler Kompromiss.

Als die Beratungen über den Lastenausgleich im Frühjahr 1951 in den Ausschüssen des Bundestages begannen, setzte ein geradezu widerliches Tauziehen ein. In mehreren hundert Ausschusssitzungen und in den drei Lesungen des Bundestages wurde dann mit Zustimmung des Bundesrates jenes Monstrum konstruiert, das der Öffentlichkeit im Herbst 1952 als sogenanntes Lastenausgleichsgesetz verkündet wurde.

 

Die unüberbietbare Kompliziertheit des Gesetzes mit seinen 375 Paragraphen und seinen unzähligen Ausnahme- und Sonderbestimmungen verrät die sichtbaren Spuren des Feilschens und Schacherns. Für den gewöhnlichen Staatsbürger ist es nahezu unmöglich, sich durch das Paragraphengestrüpp und die nachfolgenden hundert und mehr Durchführungsbestimmungen hindurch zu finden.

 

Im Ganzen gesehen, stellt das Gesetz einen äußerst faulen Kompromiss zwischen den Interessen der Geschädigten und denen der verschiedenen Lastenträger dar, wobei außerdem auf die propagandistischen Vorleistungen der Parteien und auf die neuen Lasten des Verteidigungsbeitrages Rücksicht genommen wurde.

 

So ist es nicht verwunderlich, dass im Lastenausgleichgesetz keine auch nur annähernd gleichmäßige und gerechte Verteilung der Kriegslasten und Währungsschäden unter besonderer Berücksichtigung des durch das Umstellungsgesetz geschaffenen weiteren Unrechts verankert ist.

 

Der Inhalt des LA-Gesetzes.

Das Gesetz sieht die Erhebung von Ausgleichsabgaben (Kreditgewinnabgabe, Hypothekengewinnabgabe, Vermögensabgabe) vor, die einem Ausgleichfond zugeführt werden sollen. Die dort angesammelten Beträge sollen an die Geschädigten durch Gewährung von Ausgleichsleistungen (Hauptentschädigung, Hausratsentschädigung, Eingliederungsdarlehen, Kriegsschädenrenten, Wohnraumhilfe, sonstige Leistungen) verteilt werden.

 

Bei einer kritischen Beleuchtung der Ausgleichsabgaben ergibt sich ohne Berücksichtigung der vielfältigen Sonderbestimmungen, folgendes Bild:

 

Die Kreditgewinnabgabe.

Während die Sparer auf Grund der Währungsumstellung schon im Jahre 1948, 93,5 Prozent ihrer Guthaben verloren haben und viele Millionen kleiner Sparer wegen der Anrechnung der Kopfquote ihre vollen Ersparnisse einbüßten, haben andererseits unzählige Gewerbebetriebe im Zuge der Währungsumstellung Kreditgewinne einheimsen können, zu deren Abführung sie erst 4 Jahre später im Rahmen der Kreditabgabe herangezogen werden konnten. Es handelt sich hierbei um jene Gewinne, die die einzelnen Betriebe dadurch vereinnahmen konnten, dass infolge der Umstellung der Reichsmarkforderungen im Verhältnis 1:10 ihre Schuldnergewinne größer waren als ihre Gläubigerverluste. Diese bei der Währungsumstellung entstandenen Gewinne sind aber nach vier Jahren bei Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes nicht etwa sofort in voller Höhe an den Lastenausgleichsfond abzuführen, sondern lediglich in vierteljährlichen Raten bei einer 4 Prozent Verzinsung ab 01.01.1952 jährlich mit 3 Prozent zu tilgen gewesen.

 

Während der kleine Mann durch die Währungsumstellung seine mühsam erworbenen Ersparnisse ganz oder fast ganz einzubüßen hatte, wurde denen, die im Rahmen der gleichen Währungsumstellung sogar Gewinne einzustecken vermochten, nicht etwa aufgegeben, diese in voller Höhe herauszurücken; es wurde ihnen vielmehr gestattet, diese Beträge bei einem niedrigen Zins von 4 Prozent noch lange zu behalten und mit diesem Kapital zu arbeiten.

 

Nicht genug damit, darf von dem ermittelten Kreditgewinn ein Freibetrag abgesetzt werden von 1000 DM, der somit auf alle Fälle als reiner Währungsgewinn verbleibt. Ferner können von dem Kreditgewinn alle Verluste abgesetzt werden, die die Betriebe während der Zeit von 1945 bis 1948 erlitten haben, sowie alle Vermögensverluste, die sie gegenüber 1940 nachweisen können.

 

Die Hypothekengewinnabgabe bringt für die Abgabepflichtigen Grundstückseigentümer im Allgemeinen keine Vorteile, aber auch keine Nachteile. Sie haben den Schuldnergewinn, der aus der Umstellung von grundpfandrechtlich gesicherten RM-Verpflichtungen als Hypothekengewinnabgabe abzuführen, die nach den Bedingungen der RM-Verbindlichkeiten vorgeschrieben waren. Hierbei können Kriegsschäden, die die Grundstücke erlitten haben, nach Maßgabe der festgestellten Schadensquote abgesetzt werden.

 

Als eigentlicher Lastenausgleich, der überhaupt die Abgabepflichtigen trifft, ist die Vermögensabgabe anzusehen. Sie wird, von gewissen Ausnahmen abgesehen, in Höhe von 50 Prozent des Vermögens erhoben. Diese Quote besteht aber nur scheinbar, denn von dem Vermögen kann ein Freibetrag bis zu 5000 DM abgesetzt werden.

 

Außerdem sind die eigenen Kriegsvertreibungs- oder Ostschäden, je nach der Höhe der Schäden, ganz oder teilweise absatzfähig. Ferner wird die Abgabe dadurch gemindert, dass sie bei Einkommensteuer bzw. bei der Körperschaftssteuer mit ein Drittel bzw. ein Viertel absetzbar ist. Unter Berücksichtigung aller dieser Minderungen beträgt die Quote der Vermögensabgabe unter Umständen nur einen Bruchteil des Satzes von 50 Prozent.

 

Die Abgabe ist im Übrigen innerhalb von 27 Jahren in vierteljährlichen Raten von

 

1,7 Prozent der Abgabeschuld bei Betriebsvermögen,

 

1,4 Prozent der Abgabeschuld bei gemischt genutzten Grundstücken,

 

1,1 Prozent der Abgabeschuld bei Land- und Forstwirtschaftlichen Vermögen zu tilgen und zu verzinsen.

 

Für die Eigentümer von städtischen und landwirtschaftlichen Grundbesitz stellt die unter Berücksichtigung der absetzungsfähigen Beträge verbleibende Abgabequote im ganzen gesehen immerhin eine echte Belastung dar.

 

Der größte Teil der Industrie hat dagegen die siebenjährige Verschleppung des Lastenausgleichsgesetzes seit der Währungsumstellung zu seinen Gunsten nutzen können.

 

Die gewaltige Sachkapitalvernichtung, also vor allem der Umstand, dass das Millionenheer der Geschädigten Hab und Gut verloren hatte, bewirkte, dass infolge der Kapitalknappheit der in der Industrie aufkommende Sachkapitalzins unerhört anschwellen konnte. Die hieraus anfallenden riesigen Kapitalerträge winden aus steuerlichen Gründen und wegen der Lenkung des Kapitalmarktes gewöhnlich nicht als Dividende an die Kapitalbeteiligten ausgezahlt, sondern auf dem Wege der Selbstfinanzierung für Ersatz und Neuinvestitionen verwendet. Sie kamen aber den Kapitalbeteiligten indirekt durch die Bildung stiller Reserven doch zugute und fanden nach außen hin in der seit 1948 geradezu turbulenten Steigerung der Aktienkurse beredten Ausdruck. So stieg z. B. der Durchschnitt der an den Börsen gehandelten Aktien — wie er sich im Aktienindex wiederspiegelt — von 32,3 im Dezember 1948 auf 120 bis Ende 1951, also etwa um das Vierfache. Eine größere Reihe von Aktien hat während dieser Zeit sogar Kurssteigerungen bis zu 1500 Prozent und mehr erfahren.

 

 

Seite 2   Die Industrie bringt kein echtes Opfer.

Die Vermögensabgabe, die dem Industriekapital auferlegt ist, ist weit geringer als der überaus hohe Kapitalzuwachs, der ihm seit der Währungsumstellung durch turmhohe Kapitalerträge zugefallen und der überdies auf Grund der bisher zulässig gewesenen Abschreibungsmöglichkeiten nicht einmal steuerlich erfasst wurde.

 

In Wirklichkeit stellt deshalb die Vermögensabgabe, die vom Vermögensstand am 21.06.1948 – also von dem damals viel geringeren Vermögen berechnet wird -, für die meisten Industrieunternehmen überhaupt kein echtes Opfer dar, denn sie ist durch das Unglück der breiten Massen der Geschädigten und die hierdurch verstärkte Kapitalknappheit inzwischen schon längst aufgewogen worden.

 

Um nach außen den Eindruck zu erwecken, als ob das Finanzkapital erwecken, als ob das Finanzkapital besonders empfindlich durch das Lastenausgleichsgesetz getroffen werde, erhob sich im Frühjahr 1952 in der Presse ein vernehmliches Wehklagen darüber, dass im Paragraphen 24 des Gesetzes vorgesehen ist, die Aktien, Kuxe und sonstige Anteile und Genussscheine an Kapitalgesellschaften zu ihrem halben Wert zur Vermögensabgabe heranzuziehen.

 

Man meinte, die bedauernswerten Aktionäre würden dadurch doppelt erfasst werden, und zwar einmal durch die Heranziehung der Unternehmen und zum anderen durch die Belastung des Aktienwertes. Das stimmt zwar, aber man hat schamhaft verschwiegen, dass hierbei der geringe Kurswert des Jahres 1948 zugrunde gelegt wird und nicht etwa der inzwischen um das 4 – 15-fache angewachsene heutige Kurswert. Man erwähnte auch nichts davon, dass die 50 Prozent Vermögensabgabe auf den halben Kurswert des Jahres 1948 unter Berücksichtigung der verschiedenen Befreiungen die lächerlich geringe Summe von nur 2 Millionen DM erbringt!.

 

Eine wirkliche Belastung bedeutet die Vermögensabgabe dagegen für den städtischen privaten Haus- und Grundbesitz, der wegen der Bindung der Mieten und der angestiegenen Hausbewirtschaftungskosten, also durch Verringerung des Ertragswertes der Grundstücke gegenüber dem Stande vom 21.06.1948 teilweise sogar Verluste hinnehmen musste. Dass sich diese Interessentengruppe weniger erfolgreich durchsetzen kann, dürfte in der Tatsache begründet liegen, dass die finanzkapitalistischen Kreise aus diesem seit Jahrzehnten durch staatliche Zwangsmaßnahmen misshandelten Wirtschaftszweig längst ausgestiegen sind und das Feld fast ausnahmslos den sogenannten mittelständischen Kreisen und den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen überlassen haben.

 

Bei den für die Geschädigten bestimmten Leistungen, die aus den aufkommenden Ausgleichsabgaben gespeist werden sollen, ist von dem Gedanken eines quotalen Lastenausgleiches ganz und gar abgewichen worden. So ist zum Beispiel die Hauptentschädigung für Vertreibungs-, Kriegs- und Ostschäden, je nach Höhe des Schadens von 100 Prozent — 2 Prozent abgestuft. Die Hausratsentschädigung, die bei Verlusten von mehr als 50 Prozent des Hausrates gewährt wird, beträgt je nach dem Einkommen und dem Vermögen im Zeitpunkt der Entschädigung 800 - 1400 DM, und zwar mit Zuschlägen je nach dem Familienstand, wobei Geschädigte von einem Vermögen von mehr als 35 000 DM unberücksichtigt bleiben. Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz ist hier auf der Seite der Empfänger genauso aufgegeben worden wie auf der Seite der Abgabepflichtigen.

 

Denjenigen Geschädigten, die Vertreibungs-, Kriegs- oder Ostschäden erlitten haben und erwerbsunfähig oder wegen hohen Alters und der Unmöglichkeit der Bestreitung des Lebensunterhaltes der Hilfe bedürfen, wird als Kriegsschadenrente eine Unterhaltshilfe von monatlich 85 DM (zuzüglich 37,50 DM für die Ehefrau und 27,50 DM für jedes Kind) auf Lebenszeit gewährt. Darüber hinaus kann ihnen eine Entschädigungsrente von 4 - 8 Prozent des Grundbetrages der Hauptentschädigung bewilligt werden. Hier handelt es sich um ein außerordentlich kümmerliches Gnadenbrot, das im krassen Missverhältnis zu der kaum fühlbaren Belastung jener oberen Schichten steht die dank der ihnen zugefallenen Nachkriegsgewinne einen kaum zu überbietbaren Luxus zu treiben vermögen.

 

Die übrigen Ausgleichsleistungen bestehen Oberhaupt nicht aus Entschädigungen, sondern werden einzelnen Begünstigten unter den Geschädigten, die Glück oder Beziehungen haben, als Eingliederungsdarlehen (zum Wiederaufbau der Existenzgrundlage) oder als Darlehen zum Wiederaufbau von Wohnungen gewährt, wobei ein Rechtsanspruch von niemandem geltend gemacht werden kann.

 

Schließlich sind noch Leistungen für besondere Fälle vorgesehen, für die nur bei Vertreibungsschäden an RM-Sparguthaben ein Rechtsanspruch besteht.

 

 

Seite 3   Die meisten Geschädigten sterben inzwischen weg.

Der einzige Personenkreis, der sofort in den Genuss der Ausgleichszahlungen gelangt is, waren oder sind die erwerbsunfähigen Kriegsschadenrentner. Für sie bedeutet aber die Zahlung keine Verbesserung, sondern nur eine Fortsetzung der bisherigen Rentenzahlungen aus der Soforthilfe.

 

Alle übrigen Geschädigten müssen mehr oder minder lange warten, denn die Barauszahlung der Hauptentschädigung und der Hausratsentschädigung kann selbstverständlich nur nach den innerhalb von 30 Jahren eingehenden Ausgleichsabgaben in Teilbeträgen vorgenommen werden. Die Reihenfolge der Auszahlungen soll nach der Dringlichkeit des einzelnen Falles bestimmt werden. Die letzten Beträge der Hauptentschädigung werden also erst nach drei Jahrzehnten ausgezahlt werden. Die meisten der Geschädigten werden darüber hinwegsterben, so dass allenfalls die Erben noch in den Genuss der relativ bescheidenen Leistungen gelangen können.

 

Die Hausratentschädigung sollte mindestens in zwei Teilbeträgen im Laufe der nächsten Jahre zur Auszahlung gelangen, was nur zu einem gänzlich unzureichenden Teil geschehen ist. Es wurde erwartet, dass jährlich insgesamt etwa zwei Milliarden aus den Ausgleichsabgaben aufkommen. Die völlig unzulängliche Hausratentschädigung erfordert aber allein schon im Ganzen schätzungsweise 7,5 Milliarden. Wenn von den jährlich 2 Milliarden zur Verfügung stehenden Lastenausgleichsmitteln jährlich 500 Millionen für die Hausratshilfe abgezweigt werden, würde die Abwicklung des vordringlichsten Sektors der Ausgleichshilfe allein 14 Jahre dauern. Die seinerzeit im Gesetz vorgesehene Vorfinanzierung des LAG im Wege eines 5 Milliarden-Kredites hat die Auszahlung bis jetzt nicht sehr beschleunigen können, da dieser Kredit auch für die Befriedigung der anderen Leistungen, insbesondere der Eingliederungskredite, verwendet wird. Von den Zinsen für diesen Kredit soll hier gar nicht gesprochen werden; sie erreichten bis zum Jahre 1953 schon rd. 70 Millionen und müssen letzten Endes vom Steuerzahler und somit vom Leistungsberechtigten, also von den Ärmsten, mitbezahlt werden.

 

Die Durchführung des Lastenausgleichs soll sich im Laufe der nächsten 27 Jahre vollziehen. Das ist eine Zeitspanne, in welcher nachweisbar noch niemals in irgendeinem Lande der Welt die Kaufkraft des Geldes stabil geblieben ist, am wenigsten in Deutschland. Bereits seit der Währungsumstellung im Jahre 1948 hat die neue DM etwa 25 Prozent ihrer einstigen Kaufkraft eingebüßt. Der auf den Vermögensverhältnissen des Jahres 1948 beruhende Lastenausgleich hat also bereits den Abgabepflichtigen eine entsprechende Minderung ihrer Ausgleichsabgaben beschert. Unter Zugrundelegung der auf 30 Jahre verteilten Gesamtabgaben von rund 60 Milliarden DM ergibt sich aus dem bisherigen Kaufkraftschwund der DM bereits eine Ermäßigung der realen Abgabezahlungen von rund 9 Milliarden DM. Um diese Summe sind andererseits die Geschädigten bereits betrogen worden, bevor der Lastenausgleich überhaupt wirksam wird. Sollte sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte die Kaufkraftminderung der DM fortsetzen, was nach den bisherigen Erfahrungen mit Sicherheit anzunehmen ist, so kann sich jedermann vorstellen, wie sich eine solche Entwicklung zugunsten der Abgabepflichtigen und zum Schaden der Leistungsempfänger auswirken würde.

 

Nicht einmal durch Einbau einer Wertsicherungsklausel, wie sie der Staat Israel für die von der Bundesrepublik zu leistenden Entschädigungen forderte, ist sichergestellt, dass der schon so mangelhafte Lastenausgleich wenigstens, ehrlich erfüllt werden wird.

 

Für die technische Durchführung des Lastenausgleichs wurde der Aufbau eines gewaltigen bürokratischen Apparates mit unteren Ausgleichsämtern, Ausgleichsausschüssen, Beschwerdeausschüssen, Landesausgleichsämtern, dem Bundeausgleichsamt und dem Bundeskontrollausschuss vorgesehen. Darüber hinaus müssen sich die Verwaltungsgerichte mit einer Flut von Beschwerdeverfahren beschäftigen. Zumindest für die ersten 5 Jahre, die für die Schadensfeststellung benötigt werden, wird der Einsatz von schätzungsweise 25 000 Beamten und Angestellten an sächlichen und persönlichen Kosten etwa eine Summe von jährlich 120 bis 150 Millionen DM verschlingen. Das ist ein Betrag, der ausreichen würde, um z. B. jährlich etwa 10 000 Wohnungen voll zu finanzieren. Die 375 Paragraphen des Gesetzes und die außerdem noch erlassenen Rechtsverordnungen mit ihren unzähligen Ausnahme- und Sonderbestimmungen erfordern eine so stark aufgeblähte Bürokratie. Sie wird sogar, besonders in den ersten Jahren, mehr als reichlich zu tun haben, um die reibungslose Abwicklung ihrer Arbeiten zu ermöglichen. Die Kosten des neugeschaffenen bürokratischen Apparates werden nicht etwa aus den aufkommenden Ausgleichsabgaben bestritten, sondern sie werden vom Bund bzw. von den Ländern übernommen. Das bedeutet, dass die Steuerzahler in ihrer Gesamtheit und damit letztlich auch die Geschädigten selbst noch zu den Kosten beitragen müssen.

 

Die Praxis der bisherigen Lastenausgleichsgesetzgebung zeigt eindeutig, dass sie den Belangen der Betroffenen nicht ausreichend gerecht geworden ist. Der Zeitpunkt ist aber jetzt da, mit allen Mitteln eine wirklich gerechte Lösung dieses ernsten Nachkriegsproblems anzustreben. Das Lastenausgleichs-Schlussgesetz muss den Schlusspunkt unter dieses traurige Kapitel deutscher Politik setzen.

 

Wenn die Aktienwerte der Groß- und Rüstungsindustrie in den letzten Jahren eine Kurssteigerung bis zu 1500 Prozent erfahren haben und die Besitzer von Realwerten glimpflich davongekommen sind, während die Sparguthaben der Millionen kleiner Sparer um 93,5 Prozent verringert wurden, so ist es klar, wo der Hebel angesetzt werden muss. Alle Vertriebenen, Bauern und Arbeiter, Angestellte und Beamte, Rentner und Unterstützungsempfänger, müssen eine gemeinsame Front bilden, um ihr Recht zu erlangen. Hier helfend einzugreifen, ist die große Aufgabe des BVD in diesem Jahr.

 

 

Seite 3   120 ostpreußische Umsiedler.

Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht, dass in der Nacht zum 27 Februar der bisher größte Umsiedlertransport aus den polnisch besetzten deutschen Ostgebieten auf dem Zonengrenzbahnhof Buchen (Schleswig-Holstein) eingetroffen ist, von wo er nach kurzem Aufenthalt zum Lager Friedland weitergeleitet wurde. Der Transport umfasste 222 Umsiedler und sechs Heimkehrer, die inzwischen zu ihren Angehörigen im Bundesgebiet entlassen wurden. Der nächste Transport wird in der Nacht zum 2. März erwartet.

 

In diesem Transport befand sich eine geschlossene Gruppe von 120 Umsiedlern aus der Regierungsprovinz Allenstein sowie weitere größere Gruppen aus den oberschlesischen Regierungsprovinzen Kattowitz und Oppeln. Die Hälfte der 151 Frauen und 57 Männer des Transportes waren älter als 65 Jahre. Den überraschend hohen Prozentsatz älterer Umsiedler begründen die Aussiedler mit dem in letzter Zeit zunehmenden Bestreben der polnischen Behörden, jugendliche Deutsche vorläufig von der Familienzusammenführung zurückzustellen, da sie für die polnische Wirtschaft unentbehrlich sind.

 

In diesem Jahr kamen bisher mit acht Transporten 1690 ostdeutsche Kinder, Frauen und Männer sowie 20 Spätheimkehrer in die Bundesrepublik. Seit Beginn der Familienzusammenführungsaktion des deutschen und polnischen Roten Kreuzes am 16. Dezember 1954 sind bisher zusammen 2429 Ost- und Westpreußen, Nieder- und Oberschlesier, Pommern und Danziger umgesiedelt worden.

 

Von den Aussiedlern wurden interessante Berichte über die heutigen Verhältnisse und das Aussehen der besetzten deutschen Gebiete gegeben, so wurde z. B. jetzt berichtet, dass sämtliche katholischen Friedhöfe in Danzig von den polnischen Behörden eingeebnet worden sind, um jegliche Erinnerung an das Deutschtum auszulöschen. Die Grabsteine mit den deutschen Inschriften seien abtransportiert worden. Weiter wurde berichtet, aus der Danziger Sl.-Marien-Kirche, sei Memlings weltberühmter Altar „Das Jüngste Gericht“ spurlos verschwunden. Man nimmt an, dass er in die Sowjetunion gebracht worden sei. Aussiedler aus Oberschlesien berichten, dass keine Gottesdienste in deutscher Sprache mehr stattfänden, da kaum noch deutschsprechende Priester vorhanden seien.

 

 

Seite 3   Exilpolnische Hoffnungen.

„Wir können Gott dafür danken, dass die letzte Genfer Konferenz nicht zur Wiedervereinigung Deutschlands geführt hat“, heißt es in einem Aufsatz des Detroiter „Dziennik Polski" zur Oder-Neiße-Frage. „Vergessen wir nicht, dass unsere Freunde im Westen bis zum heutigen Tage die Zugehörigkeit der wiedergewonnenen Gebiete zu Polen nicht anerkannt haben“. Nachdem aber nun die Wiedervereinigung nicht erfolgt sei, stelle jedes Jahr einen Gewinn für Polen dar. Nicht nur würden die Polen in den „wiedergewonnenen Gebieten" immer fester Fuß fassen, sondern auch die deutschen „Flüchtlinge" würden in Westdeutschland immer mehr eingegliedert werden. Wenn somit der gegenwärtige Zustand nur noch zehn Jahre andauere, so würde es dann „keine Deutschen mehr geben, die in jene Gebiete zurückkehren wollen".

 

 

Seite 3   Der Vatikan und die Oder-Neiße-Linie.

Die polnische Wochenzeitschrift „Orzel Bialy" vom 28.01.1956 nimmt zu einer Reportage des Schriftstellers Graham Greene in der „Sunday Times" vom 15. Januar Stellung. Der Schriftsteller war einer Einladung der regierungstreuen Katholiken in Polen gefolgt und gewann folgende Eindrücke! Gegenwärtig scheint es, als ob die Politik des Vatikans sowohl gegen das katholische, polnische Volk wie gegen seine kommunistische Regierung gerichtet ist. Beweise dafür sind, nach Ansicht Greenes, die Anerkennung der Gesandtschaft der polnischen Exilregierung mit dem Gesandten Dr. Papée und die Vorenthaltung der Erlaubnis, die besetzten „Westgebiete Polens" kirchlich einzugliedern. Greene gab zu verstehen, dass für den Preis der Aberkennung des Gesandtenrechtes für die Exilregierung und für die Anerkennung der „polnischen Westgrenzen" die Warschauer Regierung bereit sei, Kardinal Wyszynski aus der Haft zu entlassen. Diesen Vorschlag veröffentlichte Greene nach seinem Besuch der polnischen Katholiken in London.

 

Der „Osservatore Romano" schreibt dazu, Graham Greene habe sich nicht richtig informiert. Tatsache sei, dass nach dem Tode von Kardinal Bertram 1945 ordnungsgemäß ein Kapitelvikar gewählt worden sei, der jetzt „in dem Teil der Diözese (Breslau) residiert, der schon zum Machtbereich der Sowjetzone gehört. Was die neuen „polnischen Westprovinzen" angehe, so habe der Vatikan schon oft klargestellt, dass er keine neuen Diözesen errichten könne, ohne von seiner schon oft klargeübten Praxis abzugehen, die es nicht erlaube, eine solche Regelung vor der Unterzeichnung eines normalen Friedensvertrages zwischen allen Kriegführenden zu treffen. Es handle sich hier um eine politische, nicht um eine religiöse Kontroverse, und der Vatikan könne dabei nicht für die eine oder andere Partei Stellung nehmen.

 

Option für Polen ändert nichts an Staatsangehörigkeit.

In einer bemerkenswerten Entscheidung des Landgerichts Frankenthal wurde festgestellt, dass ein Deutscher, der noch in den unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebieten lebt, trotz einer Option für Polen weder für sich noch für seine Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe. Das Gericht setzte sich hierbei mit dem polnischen Optionsgesetz vom 28. April 1946 und dem polnischen Staatsangehörigkeitsgesetz vom 8. Januar 1951 auseinander, durch die diese Optionen von polnischer Seite aus geregelt werden. Das Gericht verneint den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, weil bei der Ungeklärtheit der staatsrechtlichen Verhältnisse eine solche einseitige, in innerstaatlichen polnischen Grenzen getroffene Regelung die Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit nicht bewirken könne. Die Auffassung des Gerichts deckt sich, wie weiter gemeldet wird, mit der Ansicht der Bundesregierung.

 

Wieviel Deutsche leben noch in der Heimat?

Eine eingehende Umfrage der kürzlich in der Bundesrepublik eingetroffenen Aussiedler gab Aufschluss über die heutigen Bevölkerungszahlen in den nachfolgenden Städten unserer Heimat:

 

Allenstein:

Einwohnerzahl 1939, 45 000; Einwohnerzahl 1956, 36000; Davon Deutsche, 400

 

Danzig:

Einwohnerzahl 1939, 265000; Einwohnerzahl 1956, 253000; Davon Deutsche, 1400

 

Elbing:

Einwohnerzahl 1939, 86000; Einwohnerzahl 1956, 48000; Davon Deutsche, 300

 

Gumbinnen:

Einwohnerzahl 1939, 25000; Einwohnerzahl 1956, 15000; Davon Deutsche, (Russ.) Keine

 

Insterburg:

Einwohnerzahl 1939, 49000; Einwohnerzahl 1956, 32000; Davon Deutsche, (Russ.) Keine

 

Königsberg/Preußen:

Einwohnerzahl 1939, 368000; Einwohnerzahl 1956, 212000; Davon Deutsche, (Russ.) Keine

 

Tilsit:

Einwohnerzahl 1939, 59000; Einwohnerzahl 1956, 43000; Davon Deutsche, (Russ.) Keine

 

 

Seite 3   Wolfsinvasion.

Die Aktionen der sowjetischen und polnischen Grenzeinheiten in Ostpreußen gegen die zunehmende Wolfsplage haben sich als unzureichend erwiesen. Die Bauern und Arbeiter der ländlichen Bezirke schützen sich mit brennenden Holzscheiten vor Angriffen von Wölfen. Um nächtliche Überfälle auf einsame Gehöfte zu vermeiden, entzünden die Bauern „Wolfsfeuer“, um die hungrigen Tiere zu verscheuchen.

 

Fast ein Viertel der SZ-Flüchtlinge sind Heimatvertriebene.

Die Zahl der Sowjetzonenflüchtlinge hat sich von 184198 im Jahre 1954 auf 252870 im Jahre 1955 erhöht. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass der Anteil der alleinstehenden Personen bis zum 24. Lebensjahr von 20,6 Prozent auf 24,7 Prozent angewachsen ist, während er im Jahre 1953 17,8 Prozent betrug. Der Anteil der Heimatvertriebenen an der Gesamtzahl der Sowjetzonenflüchtlinge belief sich auf 23,6 Prozent gegenüber 28,4 Prozent im Jahre 1954, 17,1 Prozent im Jahre 1953 und 17,4 Prozent im Jahre 1952.

 

 

Polnisch-Deutsches Wörterbuch.

Die Herausgabe des mit rund 140 000 Stichwörtern bis jetzt umfassendsten Polnisch-Deutschen Wörterbuchs in drei Bänden wird gegenwärtig vom Bibliographischen Institut in Leipzig unter Mitwirkung von Prof. Ludwig Zabrocki-Posen vorbereitet.

 

 

Seite 4   Die Sozialpolitische Seite.

Wichtig für Rentenversicherte aus Ostpreußen!

Versicherungsunterlagen des Amtes Schmilgen, Kreis Schloßberg/Ostpreußen, zum Teil erhalten. Der ehemalige Amtsvorsteher des Amtes Schmilgen, Kreis Schloßberg/Ostpreußen, zu dem die folgenden Gemeinden gehörten:

 

Schmilgen, Salten, Kaiserswiesen (früher Doblenszen, Adlerswalde (früher Schorellen), Birkenhof (früher Stablanken), Blumental, Bärenfang, Mittelwalde, Weidenfels (früher Neudorf), Dreibuchen (früher Plampen), Schleswighäfen (früher Petereithelm),

 

hat der Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein in Lübeck, Kronsdorfer Allee 2/6, das Quittungskarten-Umtauschbuch aus der Zeit vom 02.06.1927 bis 21.11.1942 zur Aufbewahrung übergeben. Diese Umtauschlisten enthalten außer den Personalien der Versicherten auch die Nummern der zum Umtausch gelangten Quittungskarten und deren Markeninhalt.

 

Da bekanntlich die Versicherungsunterlagen der Landesversicherungsanstalt Ostpreußens durch Kriegseinwirkungen verloren gegangen sind, können jedenfalls den ostpreußischen Versicherten, die ihre Quittungskarten der Invalidenversicherung in der Zeit vom 26.07.1927 bis 21.11.1942 beim Amt Schmilgen zum Umtausch bzw. zur Verwahrung eingereicht haben und nicht mehr im Besitz ihrer Versicherungsunterlagen (Aufrechnungsbescheinigungen) sind, Versicherungsnachweise für die genannte Zeit erteilt werden. Die Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein ist bereit, auf Antrag allen in diesen Umtauschlisten verzeichneten Versicherten, Bescheinigungen auszustellen.

 

 

Seite 4   Urkundenbeschaffung.

Die Beschaffung von Urkunden aus den polnisch besetzten Gebieten war und ist immer noch etwas schwierig und umständlich. Polnische Behörden stellen auf direkte Gesuche von in der Bundesrepublik lebenden Landsleuten Auszüge aus vorhandenen Standesamtsregistern aus. Die Auszüge sind kostenpflichtig. Der erfolgreichste Weg ist natürlich, wenn man sich der Vermittlung eines Angehörigen oder Bekannten in der Heimat bedient. Persönliche Vorsprachen in der Amtsstelle haben in den meisten Fällen zu einer positiven Erledigung der Gesuche geführt. Es empfiehlt sich dabei im eigenen Interesse, Schreiben an polnische Dienststellen und Pfarrämter möglichst in polnischer Sprache abzulassen.

 

Die Auskunftserteilung seitens der kirchlichen Heimatbehörden, die ja fast sämtlich die Kirchenbücher gerettet haben, war bisher am ergiebigsten. Hier ist aber die Kenntnis des genauen Pfarrsitzes und der polnischen Ortsnamen erforderlich. — Die Pfarrämter stellen die Auszüge in polnischer und lateinischer Sprache aus.

 

Ein Verzeichnis, in welchem ein großer Teil der Ortsnamen unserer Heimatgebiete sowohl in deutscher als auch in polnischer Sprache enthalten ist, kann unter anderem in den Kreisgeschäftsstellen im Bedarfsfalle eingesehen werden.

 

Vertriebenen-Sparguthaben anmelden.

Geschädigte, die zwischen Ende 1950 und Ende 1952 im Bundesgebiet oder in Berlin ihren ständigen Wohnsitz hatten, mussten bislang ihren Antrag bis zum 31. Dezember 1955 bei einer Geldanstalt oder einem Postamt im Bereich des zuständigen Ausgleichsamtes eingereicht haben. Diese Frist ist nun durch ein Gesetz zur Änderung des Allsparergesetzes vom 3. Januar 1956 auf unbestimmte Zeit verlängert worden.

 

Anmeldefrist für Vertreibungsschäden

Für den gleichen Geschädigtenkreis (Vertriebene, die in der Zeit vom 1. Januar 1951 bis 31. Dezember 1952 in das Bundesgebiet oder nach Westberlin zugezogen sind) ist die Anmeldefrist vom 31. März 1956 auf den 31. Januar vorverlegt worden. Die Anträge müssen dem zuständigen Ausgleichsamt eingereicht werden.

 

Bundesbeihilfen für betriebliche Altersfürsorge.

Immer wieder muss festgestellt werden, dass Personen, die in der Heimat Anspruch auf Leistungen aus einem betrieblichen Zusatzfond hatten, über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge nicht ausreichend unterrichtet sind. Wir weisen daher nochmals darauf hin, dass Personen auf Antrag Bundesbeihilfen in Höhe bis zu 50 DM für den Angestellten, bis zu 25 DM für die Witwe und bis zu 15 DM für Waisen monatlich erhalten können. Bei Arbeiterpensionären beträgt dieser Satz 30 DM, bei Arbeiterwitwen 15 DM und bei Arbeiterwaisen 10 DM monatlich. Die Anträge, über die das Bundesministerium für Arbeit entscheidet, sind von Personen, denen von einem Betriebe außerhalb des Bundesgebietes betriebliche Zuschussleistungen in Aussicht gestellt worden waren, bei der für den Wohnsitz zuständigen Fürsorgebehörde zu stellen. Bei Fehlen von Unterlagen für den Nachweis des Anspruchs können auch eidesstattliche Versicherungen abgegeben werden.

 

Die ursprünglichen Richtlinien vom 17.10.1951 für die Inanspruchnahme der Bundesbeihilfen sind entsprechend den geänderten Bestimmungen in der Novelle zum 131-er Gesetz in folgenden Punkten als geändert zu betrachten:

 

Der Wohnsitzstichtag ist vom 23.05.1949 auf den 31.03.1951 verlegt. Auch wenn der Termin der Übersiedlung aus der Sowjetzone erst nach dem 31.03.1951 liegt, kann die (hier endet der Bericht).

 

 

Seite 4   Sonderunterricht soll weiterhelfen.

Durch Sonderunterricht sollen volksschulpflichtige Kinder von Heimatvertriebenen, die durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse keine ihrem Alter entsprechende Schulausbildung erhalten haben, geholfen werden. Sie können der Heimschule Hamburg-Wentorf zugewiesen werden. Dort wird in verhältnismäßig kurzer Zeit der Anschluss an die entsprechende Klasse vermittelt. Meldungen müssen sofort erfolgen, weil die Zahl der Plätze für den Regierungsbezirk Lüneburg begrenzt ist. Empfänger von Kriegsfolgehilfe oder Hilfsbedürftige (Fürsorgerichtsatz) brauchen für die Teilnahme ihrer Kinder keine Mittel aufbringen, sonst beträgt der Tagessatz insgesamt 8,80 DM.

 

 

Seite 4   Beiträge der Angestelltenversicherung.

Im Bundesgesetzblatt des Jahrgangs 1955 ist die „Beitragsmarken-Verordnung" veröffentlicht worden, mit der ab 1. April 1955 folgende neuen Beiträge für die Selbstversicherten und freiwillig Versicherten in der Angestelltenversicherung festgesetzt wurden: Klasse I: DM 2,50; Klasse II: DM 5,--; Klasse III:.DM 7,--; Klasse IV: DM 10,,--; Klasse V: DM 14,50; Klasse VI: DM 19,50; Klasse VII: DM 27,--; Klasse VIII: DM 38,-- DM; Klasse IX: DM 49,--; Klasse X: DM 60,--; Klasse XI: DM 77,--.

 

Altsparerentschädigung aus Postspareinlagen.

Durch Artikel 1 Ziffer 1 des Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes vom 3. Januar 1956 (Bundesgesetzbl. I, S. 1 vom 10.01.1956) ist die Frist für die Entgegennahme von Anträgen auf Gewährung von Altsparerentschädigungen bis auf weiteres verlängert worden.

 

Pakete in die Sowjetzone.

Die Paketsendungen zugunsten der Bevölkerung in der Sowjetzone sind in letzter Zeit leider um zwanzig Prozent zurückgegangen, weil in weiten Kreisen die irrtümliche Ansicht vorherrscht, dass sich die Lebensverhältnisse in der Sowjetzone gebessert hätten. Wegen der schlechten Ernte ist eine solche Hilfe doppelt erforderlich. Fleisch, Weizenmehl, Fett, Nährmittel und Kartoffeln sind in der Sowjetzone nach wie vor Mangelware. Konserven sind nicht zu senden, denn sie werden nicht durchgelassen.

 

 

Seite 4   Nächstes Aufbausemester der Siedlerschule Katlenburg.

Das nächste Aufbausemester der Siedlerschule Katlenburg beginnt am 16. April und dauert bis 31. August. Aufnahmebedingungen: Nachweis der landwirtschaftlichen Gehilfenprüfung und des Besuches einer Landwirtschaftsschule; Mindestalter 20 Jahre. Ausbildungsziel: Abschlussprüfung mit Zeugnis der Siedlerreife und Befähigung, einen bäuerlichen Hof selbständig zu verwalten; Erlangung der Siedlereignungsbescheinigung; Vorbereitung für die Landwirtschaftsmeisterprüfung. Prospekt und Aufnahmeantrag sind bei der Siedlerschule in Katlenburg/Harz, Kreis Northeim, anzufordern. Der Aufnahmeantrag ist bis spätestens 15 März mit Lebenslauf, Gesundheitszeugnis, pol. Führungszeugnis und den erforderlichen Zeugnisabschriften einzureichen.

 

 

Seite 4   Wer kann Mietbeihilfen in Anspruch nehmen? Bestimmungen des Mietengesetzes — Besonderheiten für Unterstützungsempfänger.

Zum Ausgleich von Härten, die sich infolge der Mieterhöhung nach dem Ersten Bundesmietengesetz ergeben, können nach § 15 ff dieses Gesetzes an einkommensschwache Mieter bis zum 31. Juli 1958 Beihilfen gewährt werden. Es herrschen vielfach Unklarheiten darüber, wer nach dem Bundesmietengesetz berechtigt ist, Mietbeihilfen in Anspruch zu nehmen. Das Gesetz erkennt einen solchen Anspruch den Mietern zu, deren Familieneinkommen 110 v. H. des Satzes nicht übersteigt, der sich bei Anwendung der örtlich geltenden Fürsorgerichtsätze und Richtlinien für die Berechnung der Leistungen der öffentlichen Fürsorge an solche Familien ergibt.

 

Bei der Prüfung der Frage, ob der Antragsteller zu dem Kreis der Beihilfeberechtigten gehört, wird das monatliche Nettoeinkommen der Familie nach Abzug des Kindergeldes auf Grund des Kindergeldgesetzes und des Kindergeldanpassungsgesetzes sowie vergleichbarer Bezüge für Kinder zugrunde gelegt, d. h., das Einkommen, das die in Haushaltgemeinschaft lebenden Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten einschließlich der Unterhaltsbeträge der außerhalb der Gemeinschaft lebenden Unterhaltspflichtigen beziehen. Die in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienmitglieder werden in der Regel ohne weiteres für die Ausgaben des Haushalts, also auch für die Miete, aufkommen. Deshalb kann ihr Einkommen voll angerechnet werden. Anders steht es dagegen mit den außerhalb der Haushaltsgemeinschaft Lebenden. Sie sollen nicht gegen den Willen des Beihilfeberechtigten zur Unterhaltsleistung herangezogen werden. Die Landkreise und kreisfreien Städte können also die Zahlung der Mietbeihilfe nicht mit dem Hinweis verweigern, dass ein außerhalb der Haushaltsgemeinschaft lebender Unterhaltspflichtiger für die erhöhten Ausgaben in Anspruch genommen werden kann. Nur, falls der Unterhaltspflichtige tatsächlich zahlt, sind die von ihm erbrachten Beträge zu berücksichtigen. Freiwillige Zuwendungen, d. h. Leistungen nicht gesetzlich Unterhaltspflichtiger bleiben in jedem Falle bei der Berechnung des Einkommens außer Ansatz.

 

Besonderheiten gelten für Fürsorgeempfänger und Empfänger von Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Soweit die Mieter öffentliche Fürsorge beziehen, erhalten sie die erhöhte Miete aus Fürsorgemitteln. Eine Mietbeihilfe auf Grund des Bundesmietengesetzes entfällt damit. Ebenso kommen Empfänger von Arbeitslosen- und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung in der Regel nicht als Beihilfeempfänger in Betracht, da sie Mietzuschläge nach § 9 der Verordnung 117 erhalten und diese Mietzuschläge vorrangig vor den Mietbeihilfen nach dem Bundesmietengesetzt zu gewähren sind. Nur in den Fällen, in denen die Arbeitsverwaltung ihren Bestimmungen gemäß Mietzuschläge nicht in voller Höhe zahlen kann, können Mietbeihilfen in Höhe der Differenz nach dem Bundesmietengesetz gegeben werden.

 

 

Seite 4   Kinderreiche Familien reisen billiger mit der Bundesbahn.

Vom 15. März 1956 ab wird die Deutsche Bundesbahn für die 10 bis 19 Jahre alten Kinder der kinderreichen Familien bei Reisen zum gewöhnlichen Fahrpreis, mit Rückfahrkarten und Sonntagsrückfahrkarten nur noch die Lösung halber Fahrkarten fordern, wie die „Bundesbahn-Mitteilungen" berichten. Außerdem wird bei Benutzung zuschlagpflichtiger Züge in solchen Fällen nur der halbe Zuschlag erhoben.

 

Wie die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn ergänzend hierzu mitteilt, gelten als kinderreiche Familien alle Familien mit mindestens drei unverheirateten Kindern bis zu 19 Jahren, sofern diese dem Familienhaushalt angehören. Die Vergünstigung wird gewährt, wenn der Berechtigte eine von den polizeilichen Meldestellen ausgestellte Bescheinigung mit Lichtbild vorlegt. Anträge auf Ausstellung der Bescheinigungen durch die Meldestellen können vom Haushaltungsvorstand gestellt werden. Vordrucke mit anhängendem Abschnitt für die Bescheinigung geben die Fahrkartenausgaben der Deutschen Bundesbahn zum Preis von 5 Pf. je Stück vom 1. März 1956 ab, aus. Die auf der Rückseite dieser Vordrucke angeführten Tarifbestimmungen enthalten weitere Hinweise über den Berechtigtenkreis, die Ausfertigung der Anträge, die Ausstellung der Bescheinigungen und die Inanspruchnahme der Vergünstigung. Um eine reibungslose Abfertigung durchführen zu können, sollen die Anträge und Bescheinigungen 14 Tage vor Antritt der ersten Fahrt der Fahrkartenausgabe des Wohnortes vorgelegt werden. Es empfiehlt sich daher, Anträge auf Ausstellung der Bescheinigungen möglichst frühzeitig zu stellen.

 

 

Seite 4   Thema „Altersversorgung"

Der Sozialausschuss des BVD, in dem auch der VdL vertreten ist, beschäftigte sich auf seiner 4. Sitzung in Bonn zunächst abschließend mit den Problemen der Altersversorgung. Im Vordergrund stand die Frage, woher die Mittel für das auf den vorausgegangenen Sitzungen erarbeitete Leistungsprogramm genommen werden sollen. Der Ausschuss war der Ansicht, dass etwa in einem Verhältnis 2/3 : 1/3 Arbeitgeberschaft und Bund die Kosten der Leistungsverbesserungen tragen sollten. Zum Problem Arbeitslosenversicherung/Arbeitslosenfürsorge fasste der Ausschuss den Beschluss, sich für eine Beseitigung der Spaltung einzusetzen. Der Dauerarbeitslose könne nicht mit niedrigerer Unterstützung abgefunden werden als der nur 6 Monate lang Arbeitslose. Da die Vertriebenen an den Dauerarbeitslosen in besonders hohem Maße partizipieren, sind sie an einer Arbeitsloseneinheitsrente besonders interessiert.

 

Für die Aussiedler aus den Heimatgebieten, die jetzt in die Bundesrepublik kommen, soll ein eigener Gesetzentwurf ausgearbeitet werden, da sie in der Regel weder unter das Heimkehrergesetz noch unter das Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz noch unter das Häftlingshilfegesetz fallen. Auch für die Dänemarkinternierten, die bisher in keinem der Gesetze Berücksichtigung finden, sollen gesetzgeberische Bestimmungen vorgeschlagen werden.

 

 

Seite 4   Vereinfachte Kindergeldzahlung an Arbeitslose.

Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat mit dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen eine Vereinbarung über die Kindergeldzahlung an Arbeitslose mit drei und mehr Kindern getroffen.

 

Nach der gesetzlichen Regelung im Kindergeld- und Kindergeldanpassungsgesetz erwerben kindergeldberechtigte Unterstützungsempfänger bereits durch eine kurzfristige, gegen Unfall bei einer Berufsgenossenschaft versicherte Beschäftigung, die sie während des Unterstützungsbezugs ausüben, einen Kindergeldanspruch gegen eine Familienausgleichskasse und verlieren damit ihren Anspruch auf Kindergeld gegen das Arbeitsamt.

 

Ab sofort erhalten alle Arbeitslosen, die am letzten Werktag eines Monats bei einem Arbeitsamt Unterstützung bezogen haben, das Kindergeld von ihrem Arbeitsamt, sofern sie nicht eine ständige Nebenbeschäftigung oder Nebentätigkeit ausüben. Die hiernach über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Leistungen der Arbeitsämter werden von den Familienausgleichskassen erstattet.

 

 

Seite 4   Aufbaudarlehen für Kriegsgefangene.

Hannover. Auf Grund des Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetzes können seit Ende des Jahres 1955 ehemaligen Kriegsgefangenen im Rahmen der jeweils zur Verfügung stehenden Mittel „Aufbaudarlehen für die gewerbliche Wirtschaft und die freien Berufe“, „Aufbaudarlehen für die Landwirtschaft" und „Beihilfen zur Beschaffung von Hausrat" gewährt werden, wenn sie selbst nicht über die erforderlichen Mittel verfügen und nicht auf Grund anderer Bundesgesetze, insbesondere des Lastenausgleichsgesetzes, einen Anspruch auf Bewilligung von Darlehen oder Beihilfen der oben genannten Art haben. Voraussetzung ist u. a. dass die gewährte Kriegsgefangenen-Entschädigung zur Finanzierung der Vorhaben nicht ausreicht.

 

Die Durchführungsbestimmungen sind inzwischen erlassen. Sie sind im Niedersächsischen Ministerialblatt, Jahrgang 1955, Seite 906 und 1073 sowie Jahrgang 1956, Seite 68 und 88, veröffentlicht. Die Bearbeitung und Entscheidung der Anträge ist der Ausgleichsverwaltung übertragen. Auskünfte erteilen die Ausgleichsämter der Stadt- und Landkreise. Das Bewilligungsverfahren ist bereits angelaufen

 

 

Seite 5   Für unsere Leseratten.

Liebe (kurz- und langhaarige) Leseratten! Natürlich haben wir auch für Euch einen Platz in unserer „Kogge“, — hier ist er! An dieser Stelle werden Euch Gert und Ute laufend mit neuen, interessanten und spannenden Jugendbüchern bekanntmachen.

 

Heute bringen wir Euch eine Auswahl aus den Frühjahrsneuerscheinungen der „Göttinger Jugend-Bücherei (W. Fischer-Verlag, Göttingen) Diese preiswerten Jugendbücher in ihren schönen farbigen Glanzeinbänden sind Euch sicher schon auf Euren Entdeckungsfahrten durch Buchhandlungen und Kaufhäuser begegnet, vielleicht habt Ihr auch das ein oder andere in Eurem Besitz. Hier sind die neuen Titel:

 

Dschingis Khan erobert sich ein Weltreich

von Peter Zuckmantl, für Jungen von 12 - 16 Jahren, 126 Seiten, DM 1,95.

Das Buch schildert in packenden Szenen das Leben, Wirken und Sterben Dschingis Khans, seinen sagenhaften Aufstieg vom Hirtenjungen zum Herrscher Asien, dem es gelang, auf dem Rücken seiner Pferde den Mongolen für Jahrhunderte fremde Reiche und Völker Untertan zu machen. Mit angehaltenem Atem lesen wir die Kapitel vom Einfall seiner Nachfolger in Europa und der schicksalhaften Schlacht bei Liegnitz. Diese wahrheitsgetreue Darstellung liest sich wie ein spannender Jugendroman. Zahlreiche Illustrationen begleiten den Text.

 

 

Kampf um Troja, 80 Seiten, Die Irrfahrten des Odysseus, 64 Seiten, Herkules und andere Griechische Götter und Helden, 64 Seiten, für Jungen und Mädchen von 10 - 16 Jahren, jeder Band mit vielen Zeichnungen versehen, je DM -,95. In diesen Bänden begegnen wir den unvergänglichen Gestalten der bildreichen griechischen Sagenwelt. Sie zählen zum kostbarsten Schatz des Abendlandes. Auch heute noch gilt die ritterliche Gesinnung jener Helden als Vorbild echter Männlichkeit. Jeder Junge und jedes Mädchen sollte diese Sagen gelesen haben.

 

 

Kampf um Monte Cassino von Just Rech, für Jungen von 12 - 16 Jahren, 80 Seiten, DM -95.

Kaum ein Beispiel dokumentiert die Sinnlosigkeit aller Kriege deutlicher als die Geschichte dieses ehrwürdigen Klosters auf dem Berge des Monte Cassino in Italien. So oft auch die Brandung der wechselvollen Geschichte seit Jahrhunderten über diesem Berg des Friedens zusammenschlug und Menschen wie Kulturen sinnlos und grausam hinwegspülte, — der Fels blieb stehen, und Menschen erneuerten immer wieder den Hort des Geistes und der Kultur. Die Geschichte dieses Klosters lehrt, dass die Kraft des Geistes auf die Dauer bezwingender ist als die rohe Macht der Waffen!

 

 

Kleiner Stierkämpfer José, von Herbert Sinz, für Jungen und Mädchen von 12 - 16 Jahren, 64 Seiten, DM --,95.

Mit Karl-Heinz, dem jungen Pfadfinder, erleben wir in diesem Buche das heutige Spanien mit seinen Gegensätzen und Merkwürdigkeiten für die Augen eines deutschen Jungen. Manches kommt uns dabei recht „spanisch" vor. Dennoch, oder gerade deshalb werden wir dem jungen Pfadfinder und seinem spanischen Freund José gerne kreuz und quer durch Spanien, dessen Namen allein schon eine starke Anziehung ausübt, folgen.

 

Sechs Mädel wie du und ich, 80 Seiten, Sechs suchen ihren Weg, 64 Seiten, Bunte Welt um alle sechs, 64 Seiten, für Mädchen von 12 - 16 Jahren, je DM --,95. In diesen drei Bänden erzählt Barbara Degen von dem Sechskleeblatt Ilse, Gudrun, Anneliese, Eva, Lore und Hanni. Sechs frische Mädel unserer Tage stehen vor dem entscheidenden Schritt, der sie von der Schule in das Leben führt. Wie sie sich darin zurechtfinden und wie sie es schließlich, jede auf ihre Art, meistern, ist eine spannende Geschichte, die Euch sicher viel Freude machen wird.

 

 

Marima — und die Tänzerin von Bossi Fedrigotti, für Mädchen von 10 -14 Jahren, 126 Seiten, DM 1,95.

Im Mittelpunkt dieser spannenden Geschichte steht die kleine Ballettschülerin Marima, der es durch ausdauernden Fleiß und ihre natürliche Begabung gelingt, die Erfüllung ihres größten Wunsches zu erleben. Aber der Weg dahin — wie jeder Weg zum Erfolg — war mit vielerlei Schwierigkeiten, mit Neid und Missgunst gesäumt, dass sie oft der Verzweiflung nahe war. Ein lesenswertes Buch.

 

Liebe Leseratten, zum Schluss noch eine Bitte an Euch: Schreibt uns einmal, welche Bücher Ihr am liebsten lest, was Euch besonders interessiert. Vergesst aber nicht, stets Euer Alter mit anzugeben. Nächstens mehr. Gert und Ute.

 

 

Seite 5   „Ostlandheim" der Jugend.

In landwirtschaftlich herrlicher Lage im Schwabenland, in der Nähe eines Laubwaldes, in einer schönen Berglandschaft und unweit eines neuzeitlichen Freibades, liegt in Jebenhausen bei Göppingen das „Ostlandheim" der Deutschen Jugend des Ostens. Sinn und Zweck dieses Heimes ist es, in ihm in der deutschen Jugend den Gedanken an die entrissenen Ostgebiete wachzuhalten, die Kultur der Heimat, wie sie in Volkstänzen, in der Literatur, in Liedern und Bräuchen zum Ausdruck kommt, wachzuhalten und zu pflegen.

 

 

Seite 5   Gruppennachrichten.

Hansgeorg Buchholtz bei der ostpreußischen Jugend.

25 junge Ostpreußen, allesamt Gruppenführer oder Kreisgruppenführer in der DJO, trafen sich vom 3. bis 5. Februar in der Jugendherberge in Bad Gandersheim. Nicht nur der schöne Schnee und das altertümliche Städtchen Bad Gandersheim hatten sie angelockt, sondern der Wunsch, neue Kenntnisse und neue Möglichkeiten für die Arbeit in den Gruppen mitzunehmen. Besonders Kenntnisse, die den „Abschnitt" Ostpreußen betreffen.

 

Unsere unverwüstliche Hanna Wangerin hatte Volkstänze und viele neue Lieder zu vermitteln. Rudi Meitsch kam mit seinem schon beinahe unvermeidlichen Lichtbildervortrag zu Wort. Eine Ausstellung von Schrifttum über Ostpreußen, dazu ostpreußische Trachten, Bernsteinschmuck und Webarbeiten, gab es zu sehen.

 

Einen Abend gestaltete der ostpreußische Dichter Hansgeorg Buchholtz. Seine schlichten Erzählungen, die uns in die Heimat, wie sie war und wie sie jetzt ist, wird allen Teilnehmern unvergesslich sein. Man spürte es, dass er Gedanken formulierte, die die Jugend brennend interessieren. Besonders seine Lesung trug wesentlich dazu bei, allen Teilnehmern die ungeheure Bedeutung unserer Arbeit für Ostdeutschland erkennbar zu machen.

 

Führertreffen der Westpreußen.

Das Führertreffen 1956 findet Ostern statt. Es wird in der Jugendherberge in Bonn-Venusberg durchgeführt. Neben der Jahreshauptversammlung steht diesmal ein Seminar über den dialektischen und historischen Materialismus im Mittelpunkt. Auch ein Besuch des bekannten Bonner Ein-Zimmertheaters, dem „Contra-Kreis", ist vorgesehen. Vertreter des Bundesvorstandes unserer Landsmannschaft und der Bundesführung der DJO werden als Gäste anwesend sein.

 

Unsere Jugendführer, aktive Mitglieder und interessierte Personen werden gebeten, sich wegen Teilnahme oder näherer Auskunft zu wenden an: DJO-Bundesgruppe Westpreußen, Bonn, Leipziger Straße 3.

 

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 1. März 1956.

Liebe Jungen und Mädel!

Sagen wir künftig einfach und schlicht: Freunde! Aber ich will Euch nicht überrumpeln, liest erst einmal in aller Ruhe diese und die nächsten Seiten, die Ihr von nun an regelmäßig an dieser Stelle finden werdet. Wenn Ihr bei der letzten Zeile angekommen seid und Ihr könnt sagen: Ja, das ist was für uns! — dann freute ich mich, wenn Ihr auf meinen Vorschlag, Freundschaft zu schließen, zurückkommen würdet. Ja, noch mehr: Die ‚Kogge' braucht Mannschaft, wenn sie nicht steuerlos die Strömung und den Winden ausgesetzt sein soll. Kommt mit an Bord! Packt mit an, die Segel zu setzen, das Ruder zu legen! Steigt in den Korb und haltet Ausschau! Gemeinsam wollen wir die Fahrten unternehmen mit dem alten Kurs der hansischen Koggen ostwärts, — wir wollen Küsten und Städte, Dörfer und Wälder unserer Väter Heimat gemeinsam auf diesen Fahrten erleben, wollen an den historischen Stätten verweilen und die Geschichte zu uns sprechen lassen und dem dunklen Raunen der Sage lauschen.

 

Dies waren meine Gedanken, als ich die Kogge aus dem Dunkel ferner Zeiten hervorholte und wieder seetüchtig machte. Wollt Ihr mit von der Fahrt sein? Dann steigt ein: vor uns das Land der Väter aus vielen, vielen Generationen. Ihr sollt es kennen und lieben lernen, damit es auch Euch im Herzen zur Heimat werde, damit es im deutschen Lande einst seine Söhne finde, wenn es ihrer bedarf.

 

Da wir nun Freunde sind, sollt Ihr mir für die Folge helfen, das Schiff zu steuern. Schreibt mir, was Euch an der ‚Kogge' gefällt, was Euch nicht gefällt, worüber Ihr gern mehr wissen möchtet usw. Vor allem aber, überlegt Euch einmal, womit Ihr selbst an der Gestaltung unserer ‚Kogge' beitragen könnt: interessante Dinge von der Heimat, von Euren Eltern gehört oder vielleicht noch selbst erlebt, eine schöne Sage, eine Zeichnung mit einem heimatlichen Motiv, die Euch einmal gut gelungen ist, oder ein Scherenschnitt. Wenn es auf der Fahrtroute der ‚Kogge' liegt, wollen wir es auch unseren anderen Freunden mitteilen und zeigen.

 

Aber auch mit anderen Fragen, Euren Freuden und Sorgen — wie unter Freunden ganz selbstverständlich — kommt getrost zu mir, damit wir uns gemeinsam freuen, gemeinsam dies und jenes überlegen und Rat schaffen können.

 

Und dies versteht sich von selber: wenn Ihr eine längere Reise unternehmt, wenn Ihr mit Eurer Gruppe auf Fahrt oder im Lager seid, dann schickt der ‚Kogge' einen Gruß, eine Ansichtskarte, ein paar Zeilen.

 

Wollen wir's so halten? Dann — auf gute Freundschaft! Werft die Taue los! Alles Zeug in die Rahen! Der Wind steht gut.

Wir suchen die Heimat!

 

 

Der heilige Adalbert in Preußen

Als man dem Jahre eintausend nahekam und den Untergang der Welt erwartete, erschien im Lande der Preußen der erste Sendbote des Krist. Er war eines böhmischen Fürsten Sohn, hatte Heertrost geheißen und nannte sich, seitdem er herangewachsen war, Adalbert.

 

Sein Vater hatte ihn nämlich von Deutschen erziehen lassen, weil er sie für die besten Lesemeister hielt. Adal heißt Adel, berath aber glänzend, und jeder, der den Fürstensohn sah, musste gestehen, er trage den Namen zu Recht: er glänze durch Adel. Nach vielerlei Kämpfen mit sich selber hatte er beschlossen, Priester zu werden, und es war geschehen, dass ihn der Bischof Wiligis von Mainz weihte, in dessen Nähe er lange gewohnt und die Schriften erforscht hatte, die den Sinn des Lebens kund tun. Er ging mit dem Bischof über die Alpen nach Rom, sprach den Papst und lernte den Kaiser lieben: Otto den Dritten, den Enkel des Großen Otto. Von Rom aus fuhr er nach Böhmen zurück und wirkte in Prag. Als Thietmar, der Bischof, starb, wählten die Großen des Landes den jungen Feuergeist zu seinem Nachfolger, und Adalbert willigte ein. Wiligis, dem das böhmische Bistum unterstand — er war der Primus des Reiches —, ließ ihn nach Ravenna kommen, wo er mit dem Kaiser weilte, übergab ihm die Zeichen seiner Würde, auch den goldenen Stab, und Adalbert wirkte lange in der schönen Stadt Prag.

 

Als er ins Alter der Weisheit hinüberreifte und man allerorts die Schrecknisse fürchtete, die das Jahr tausend der Menschheit bringen solle, sagte er, es gebe keinen Morgen ohne einen Abend, keinen Abend ohne einen neuen Morgen; Untergange folge ein Auferstehn; er gehe zu einem jungen Volke und künde ihm das Wort des Krist vom ewigen Leben; dann werde sich zeigen, dass es kein Ende, sondern immerfort Beginn gebe: er gehe hinauf nach Preußen!

 

Im Pilgerkleide machte er sich auf, nahm zwei Gefährten mit, junge Priester guten Blickes, und kam über Polen in das heutige Kulmer Land nach Pomesanien, ging und suchte die Mündung des Stromes — der Weichsel —, weilte am Strande der Ostsee und wanderte durch das Samland.

 

Er hatte die Sprache des Landes erlernt, und wo er erschien, verkündete er das Leben der Einheit mit dem einen Gott, der das Meer und die Erde, den Himmel, Mond und Sterne und die Sonne beseele. Er wirkte wie ein Verklärter, der nichts bringt als die offenbarende Güte der Schöpfung: dem Menschen den Menschen. Er wetterte nie gegen Perkunos, Pikollos und Potrimpos, die preußischen Götter; aber er sprach von dem Herrn, der auch sie in seiner Seele dulde: von dem Sohne des Vaters, der sich geopfert habe, die Seelen vom Wahn der Tage zu erlösen und sie stark zu machen im Kampfe mit den Gewalten des Lebens. Er zeigte ihnen das goldene Kreuz, dessen Balken gleich lang und breit waren und in edler Gestalt den segnenden Heerkönig wiesen. So gewann er manche der Preußen seinem Glauben.

 

Ihre Priester, die merkten, wie stark er sei, verfolgten ihn und sannen darauf, ihn zu töten. Sie fürchteten allerdings ihre Landsleute: so sehr ehrten diese den Adalbert. Sechs von ihnen aber hatten sich heimlich verbunden, und als der Erlesene an einem frühen Maimorgen allein an den Bernsteinstrand ging — da, wo heute Fischhausen liegt —, den Sonnenaufgang über dem Meere zu grüßen, das Spiel des Purpurs mit den Wellen, töteten sie ihn durch sieben Wunden, und die es hörten, erschraken.

 

Als der König von Polen, ein Freund Adalberts, die Kunde vernahm, schickte er den Boten zu den Priestern und wünschte Adalberts Leichnam. Doch jene, die den Sinn des Lebens missachteten und nur ihren Zwecken dienten, der Gier, heischten für ihn so viel Goldes, als er schwer war.

 

Da schickte der König einen Zug mit Wagen entsprechenden Gewichtes. Die Schale aber, auf welcher der Tote lag, bewegte sich nicht, derweil man das Gold der Wagen auf die zweite Schale legte. Selbst das Gold, welches die polnischen Gesandten als ihr eigen besaßen, reichte nicht, woraufhin preußische Anhänger Adalberts wagten, ihr Gold zuzufügen. Zuletzt kam eine alte Frau, eine Witwe, die dem heiligen Manne geneigt war. Sie sah, was sich begab, und warf entschlossen zwei arme Heller, ihren ganzen Besitz, auf die Schale, und sofort senkte sich die Schale. Der Leichnam stieg derart, dass man Gold fortnehmen musste, die beiden Schalen aber erst ins Gleichgewicht gerieten, als kein Gold mehr auf der einen war und nur die beiden Heller da lagen.

 

Das wunderte selbst die Anhänger der preußischen Götter. Sie waren erschüttert ob der Gewalt einer liebenden Seele und übergaben den Toten. Die Polen luden das Gold wieder in ihre vierrädrigen Karren, legten den Heiligen darauf und fuhren zurück, indes die Frau, der sie danken wollten, verschwunden war.

 

Wer von denen, die im Samlande wohnen und wohnten, den Namen Adalbert hört, spürt die Kraft eines Mannes, dessen Adel glänzt und den Mächten des Unterganges den lichten Glauben an das Leben entgegenstellt. Teodor Seidenfaden.

 

Diese Sage entnahmen wir mit freundlicher Genehmigung des W. Fischer-Verlages, Göttingen, dem neuen Band der Göttinger Jugend-Bücher „Traumnacht auf der Toteninsel", Ostdeutsche Sagen von Theodor Seidenfaden. In fortlaufender Erzählung führt uns der Dichter durch den Sagenreichtum des Deutschen Ostens jenseits der Oder-Neiße-Linie und südlich des Sudetenkammes. Ein Buch, an dem Ihr viel Freude haben werdet. 110 Seiten stark, mit vielen schönen Zeichnungen und einem bunten Glanzeinband kostet es 1,95 DM.

 

 

Foto: Kogge.

Um die Mitte des 12. Jahrhunderts tauchten zum ersten Mal in der Ostsee diese bis dahin hier unbekannten bauchigen Schiffe mit den großen Rahsegeln und kastellartigen Aufbauten auf. Niederdeutsche Kaufleute, die sich im 13. Jahrhundert als „Deutsche Hanse" (das Wort kommt aus dem Germanischen und bedeutet „Schar") zusammenschlossen, ließen sie für ihre Handelsfahrten bauen. Durch ihren weitaus größeren Laderaum waren sie für den regelmäßigen Frachtverkehr dem skandinavischen Langschiff weit überlegen und schalteten es allmählich ganz aus. Die Kogge wurde das Werkzeug, mit dem ein wagemutiges zähes Geschlecht dem deutschen Volk in zielbewusstem Handeln durch Jahrhunderte Führung und Vorrecht in Handel und Schifffahrt im Ostseeraum sicherten.

 

Wer ein Maß von Wichtigkeit, wer ein Weltall in der Seele trägt, dem wird unmöglich jedes Kümmel- und Staubkorn ewige Welt der Beschäftigung sein können. Johann Gottfried Herder.

 

Weißt Du …

… dass Ostpreußen seine „zweite Geburt“ Friedrich Wilhelm I. von Preußen verdankt, der zwölf Städte und 332 Dörfer neu gründete, nachdem eine verheerende Pest das Land entvölkerte und im westpreußischen Bromberg nur 600 deutsche Einwohner übrig gelassen hatte.

 

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats.

In diesem Monat gedenken wir des Deutsch-Ordensmeisters Hermann von Salza, unter dessen zielstrebiger Führung und klugen weitschauenden Staatskunst der Deutsche Orden in eine neue Aufgabe hineinwuchs und hier zu seiner vollen Blüte gelangte. Hermann von Salza war es, der die Herrschaft des Deutschen Ritterordens in Preußen begründete.

 

Er stammte aus Thüringen, dem heutigen Langensalza, wo er wahrscheinlich zwischen 1170 und 1180 geboren wurde. Im ritterlichen Dienst aufwachsend, mächtig in Wort und Wirken, dazu fromm und gottesfürchtig, wurde er ein glänzendes Mitglied des Ordens und ein leuchtendes Vorbild ritterlicher Tugenden schlechthin. Seine Stellung an der Spitze der Deutschritter (im Jahre 1210 wurde er zum Hochmeister des Ordens erhoben) brachte es mit sich, dass er viel am Hofe des Kaisers verkehrte, wo die Mächtigen des Reiches sich ein Stelldichein gaben. Kaiser Friedrich II., der ihn als klugen Staatsmann schätzte, schenkte ihm sein Vertrauen, und viele Jahre war Hermann von Salza der bevorzugte Ratgeber des Herrschers, der ihm seine treuen und wertvollen Dienste in allen Teilen des ausgedehnten Reiches reich entlohnte. Selbstlos und den Regeln des Ordens streng gehorsam, lenkte der Hochmeister die kaiserliche Gunst auf die Förderung seiner Ritterschaft, er vermehrte den Reichtum des Ordens durch eine Reihe von Vorrechten und Schenkungen, die den Orden in die Lage versetzten, aus eigenen Mitteln ganze Heere aufzubringen.

 

Da rief Herzog Konrad von Masovien den Orden gegen die wilden Preußen ins Land und bot dafür den Rittern als Gegenleistung das Kulmerland an, was in der denkwürdigen Urkunde vom März des Jahres 1226, der Goldbulle von Rimini, von Kaiser Friedrich II. dem Hochmeister bestätigt wird. Er verbriefte ihm außerdem den freien Besitz aller künftigen Eroberungen im Preußenland, verlieh ihm das Recht, Straßen und Marktzölle anzuordnen, Märkte und Handelsplätze einzurichten, Münzen zu schlagen, und gewährte ihm volle Gerichtsbarkeit. Der Großmeister wurde damit in den Stand eines Reichsfürsten erhoben. Hermann von Salza starb am 19. März 1239 in Apulien.

 

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. Copyright by Holzner-Verlag, Würzburg.

Meinard stand vor seinen Richtern.

Da saßen sie, dicht gedrängt, auf schlichten Holzbänken, die rechts und links die Längswände des hochgewölbten Remters säumten. Sie saßen regungslos, in ihre weißen Mäntel mit dem schwarzen Kreuz gehüllt, einer dem anderen gleich. Schwerer Ernst verschattete ihre bärtigen Gesichter, und ihre Augen blickten versonnen vor sich hin. Nur einer von ihnen war sichtbar herausgehoben aus der Gemeinschaft. Das war Herr Konrad von Tierberg, der Landmeister des Ordens im Preußenland. Er saß für sich allein an der Schmalseite des Raumes auf leicht erhöhtem Platz; im Übrigen aber durch nichts an Tracht und Haltung geschieden von den Brüdern. Nur der stahlharte Blick seiner hellen blauen Augen verriet im Aufflammen den Gebieter.

 

Sechs Priesterbrüder und vierundzwanzig Ritterbrüder zählte der doppelte Konvent der Ordensburg Elbing, die zugleich Sitz des Landmeisters war. Heute wies die geschlossene Reihe der Ritterbrüder eine Lücke auf. Dort unten, wo die jüngsten von ihnen saßen, war ein Platz leer. Und das war Meinards Platz.

 

Als Meinard die Schwelle der Eingangspforte überschritten hatte, fühlte er sich plötzlich wieder eingeschlossen in den geheimnisvoll zwingenden Bannkreis der Gemeinschaft. Wie sehr sie ihm Sinn und Erfüllung seines Lebens geworden war, das hatte er so recht gespürt, als er sie in der Einsamkeit der harten Haft entbehren musste. Gott sei gelobt, jetzt hatte er Grund und Halt wiedergewonnen, da sie ihn aufs Neue umfing. Nun mochte kommen, was da wollte, Gericht, Urteil, Strafe! Doch als sein Blick die Reihe der Brüder von Gesicht zu Gesicht entlang strich, weitete er sich in Staunen und Erschrecken. Hastig suchte er das Antlitz des Meisters und prallte zurück vor seiner abweisenden Starre. Da tat sein Herz einen harten Schlag und begann wie rasend zu hämmern. Heiße Angst sprang ihn an. Sie presste ihm die Kehle zu, dass es ihm dunkel wurde vor den Augen und ein tosendes Rauschen seine Ohren füllte. Und dann vernahm er wie aus weiter Ferne und doch scharf und deutlich, was der Meister sprach.

 

„Meinard von Leuen!"

 

Mit drei kurzen Worten war sein Urteil gesprochen, ein hartes und erbarmungsloses Urteil. Denn Meinard von Leuen, das hieß: nicht mehr Bruder Meinard! Das hieß: verworfen, verdammt, ausgestoßen!

 

So schwer und unerwartet traf es ihn, dass seine Schultern sich unwillkürlich krümmten in geduckter Abwehr und sein Haupt jählings vornüberschlug. Doch kaum um eines Lidschlags Länge. Dann hatte Meinard die versagende Kraft wieder gemeistert. Die Nägel der verkrampften Hände bohrten sich tief in das schmerzende Fleisch, die Zähne knirschten aufeinander, und junges Gesicht schien in schneeiger Blässe zu Stein erstarrt.

 

„Meinard von Leuen", so fuhr der Landmeister fort, „du hast den Frieden des Ordens gebrochen. Du hast die Hand erhoben gegen einen Bruder. Hätte die hochheilige Jungfrau Maria, unsere gnadenreiche Schutzpatronin, deinem Stahl nicht gewehrt, so wärest du zum Mörder geworden und wärest der Nacht des Kerkers verfallen bis zum unseligen Ende deines Lebens. Ohne Säumen wirst du dieses Haus verlassen und binnen dreier Tage aus dem Gebiet des Ordens entwichen sein. Nach Ablauf dieser Frist erkläre ich dich für vogelfrei. Zuvor aber soll dir das Ehrenkleid der Bruderschaft, das du geschändet, zerbrochen und dein Schild, zerschlagen werden!"

 

Der Meister winkte den beiden dienenden Brüdern, die Meinard hereingeführt hatten und rechts und links neben der Pforte standen. Doch ehe die Graumäntel sich ihm genähert und Hand an ihn zu legen vermochten, hatte Meinard sich des weißen Waffenrockes in Hast entledigt. Es schien, als wollte er ihn von sich schleudern in wildem Trotz. Aber er stockte, hielt das Gewand mit beiden Händen vor sich hin, und starrte lange auf das schwarze Kreuz, das niemals wieder seine Brust zeichnen sollte.

 

Und wieder sprach der Meister in die feierliche Stille des hohen Raumes. Aber wie anders war jetzt seine Stimme, die eben noch so hart und seelenlos geklungen hatte. „So gehe denn deines Weges, Meinard von Leuen! Eines Pilgers Hut und Mantel soll dir der Bruder Trapier reichen, die Blöße deines Leibes zu decken und die Scham deiner Seele zu verhüllen. Das soll der letzte Liebesdienst sein, den dir die Bruderschaft erweist. Der allgütige Gott aber möge dir vergeben, was du ihr angetan, und ... mir!"

 

Meinard hatte aufgehorcht und lauschte ergriffen und bezwungen den Worten des Meisters. Vergangenes umwehte ihn mit sanftem Hauch und strich mit liebenden Händen über seine schmerzende Stirn. Frohe und gute Stunden, längst vergessen, stiegen plötzlich wieder auf und stürmten in gedrängter Schar die Pforte seiner Erinnerung. Da kam es wie ein großes Ahnen über ihn von der Himmelsweite der Liebe, die straft, weil sie liebt. Der Trotz, die Bitterkeit des zu Unrecht Geschlagenen wichen von ihm, und nur eine müde Trauer legte sich schwer und doch beruhigend auf sein wundes Herz.

 

Meinard hob die Augen zu seinem Meister auf. Mit stillem, geradem Blick schaute er in sein Gesicht, als ob er noch einmal seine Züge sich einprägen wollte, und sprach dann leise und fest:

 

„Ich danke der Bruderschaft, ich danke Euch, ehrwürdiger Meister. Ich gehe und werde meine Pflicht tun!"

 

Dann wandte er sich und schritt der Tür zu.

 

Doch ehe er sie erreichte, erhob sich Bruder Bolko, der als einer der letzten in der Reihe der Ritterbrüder nahe der Tür saß. Ein weißes Tuch war um sein Haupt geschlungen, und die Blässe seines Antlitzes zeugte von langer, schwerer Bresthaftigkeit. Bolko hob leicht die Hand und sprach:

 

„Auch ich vergebe dir, was du mir getan!"

 

Die unvermutete Anrede hatte Meinard herumgerissen. Seine Augen sprühten auf, und hart schlug seine Entgegnung in das bleiche Gesicht vor ihm. „Und dir vergebe die heilige Jungfrau! Ich kann es nicht“.

 

Bruder Bolko wankte, als hätte das Schwert des Gerichteten ihn zum anderen Male getroffen. Er sank schwer auf seinen Platz zurück und blickte verstört um sich.

 

Die Schar der Brüder saß regungslos in bedrücktem Schweigen. Meinard aber war entschwunden.

 

Dieses geschah am Tage vor Peter und Paul im Jahre des Herrn 1274.

 

Am Abend des gleichen Tages schritt ein Mann in der Tracht der Pilger durch das Markttor der Stadt Elbing. Der schwarze Mantel umhüllte seine hochgewachsene Gestalt, und sein Gesicht barg sich im Schatten des breitkrempigen Hutes. Der weiße Stecken in seiner Rechten maß einen Schritt von achtbarer Länge. So hatte der einsame Wanderer bald die Stadt hinter sich gelassen und zog rüstig seines Weges, der sinkenden Nacht entgegen und einem neuen Tage.  

 

Sechs Jahre waren darüber hingegangen.

 

Im Preußenland tobte immer noch der Kampf gegen die Heiden. Wohl hatte der Orden den großen Aufstand, der im Jahre des Unheils 1260 ausgebrochen und wie eine vernichtende Sturmflut über die junge deutsche Siedlung hinweggerast war, nach vierzehnjährigem erbittertem Ringen niedergeschlagen. Er war auch ohne Säumen ans Werk gegangen, wieder aufzurichten, was in Schutt und Asche lag. Die Kreuzfahrer, die in der schwersten Not zur Hilfe herbeigeeilt waren und so wacker zu Ehren Gottes und des deutschen Namens gestritten hatten, blieben im Lande. Sie erbauten zahlreiche Städte, saßen als wehrhafte Bürger hinter ihren festen Mauern und pflegten die Künste des Handwerks wie den Fleiß des Gewerbes. Sie ackerten aber auch als Bauern auf der Scholle, die sie den Heiden entrissen hatten. Viele hundert stattliche Dörfer erblühten in der weiten Ebene.

 

Jedoch vor allem anderen war der Orden bemüht, seine Wehr zu bessern und zu verstärken. Die zerstörten Burgen erstanden wieder, fester und größer als zuvor, und neue Bauten vermehrten ihre Zahl. Denn der Friede sollte dem hartgeprüften Lande noch immer nicht beschieden sein. Ein Stamm der Preußen, der streitbarste und volkreichste, verweigerte auch jetzt noch die Unterwerfung. Das war der Stamm der Sudauer. Der Edle Skomand war ihr Führer, der Tapfersten einer im ganzen Preußenland und an Verschlagenheit von niemandem übertroffen. Während des großen Aufstandes hatte er dem Orden schwer zu schaffen gemacht. Und als der Zusammenbruch kam, hatte er allein sich und seine Schar vor der Vernichtung zu bewahren gewusst. Geschlagen, aber nicht besiegt, war er in seinen heimatlichen Gau zurückgekehrt und führte von dort aus den Kampf mit ungebrochenem Mut und unversöhnlichem Hass fort.

 

Wo in grauer Vorzeit das Nordlandeis aus Geröll und Sand einen breiten Wall, den preußischen Landrücken, aufgeschüttet hat, wo ungezählte Seen sich in dem Gewirr der Hügelketten und Kuppen bergen, zog sich die Grenze des Preußenlandes entlang ein viele Meilen breiter Waldgürtel hin. Wild verwachsen und schier undurchdringlich wurde er mit Recht die Wildnis genannt. Sie bot dem Ordensstaat einen willkommenen Schutz gegen seine Feinde, die heidnischen Litauer im Osten und die missgünstigen Polen im Süden. Sie schloss ihn auch gegen den Gau der Sudauer ab. Aber wie die Wildnis feindlichen Heeren den Durchzug erschwerte, so hinderte sie auch den Orden, mit seiner Macht über die Grenze vorzustoßen und den Feind im eigenen Lande zu schlagen. (Fortsetzung folgt)

 

 

Seite 7   Menschen – Wege – Schicksale.

Agnes-Miegel-Straße in Rinteln.

Mit großer Freude vernahmen wir die Nachricht, dass der Rat der Stadt Rinteln den einstimmigen Beschluss fasste, eine Straße im sogenannten „Dichterviertel“ der Stadt zu Ehren der greisen Dichterin Agnes Miegel auf deren Namen zu taufen. Bürgermeister Schrader und der Erste Beigeordnete Riedinger brachten als Boten der Stadt in einem persönlichen Besuch unserer verehrten „Mutter Ostpreußens" den Beschluss des Rates zur Kenntnis und baten in herzlichen Worten um ihre Zustimmung. Hocherfreut über die ihr zugedachte Ehrung gab Agnes Miegel, die in Bad Nenndorf ihren Lebensabend verbringt und am 8. März 1956 hier ihren 77. Geburtstag begeht,ihre Einwilligung. In einem an den Rat der Stadt Rinteln gerichteten Handschreiben gab Agnes Miegel noch einmal ihrem Dank und ihrer Freude herzlichen Ausdruck. Wir möchten es unseren Lesern, die an dieser Freude aus ganzem Herzen teilhaben, nicht vorenthalten. Es lautet:

 

„Es war für mich eine ebenso große Freude wie Überraschung, als am 12. Januar Herr Bürgermeister Schrader und Herr Riedinger mit dem wunderschönen Nelkenstrauß und ihrem gütigen Schreiben mir die Nachricht überbrachten, dass in einem der neuen Siedlungsgebiete der Stadt Rinteln, dessen Straßen nach deutschen Dichtern genannt wurden, eine dieser Straßen meinen Namen erhalten hat.

 

Ich sage dem Rat der Stadt Rinteln meinen aufrichtigen Dank für diese mich tief bewegende Ehrung. Seit Jahrzehnten liebe ich das schöne, urdeutsche Land, in dem meine Gefährtin und ich seit dem Advent 1946 Zuflucht und Altersheimat gefunden haben. In seiner Kreisstadt Rinteln haben wir bei dem ersten Flüchtlingstreuen in der ehrwürdigen Stadtkirche eine ganz unvergessliche, erhebende Feierstunde erlebt.

 

Immer ist mir Rinteln durch die Geschlossenheit seines Stadtbildes am Weserstrom, seine nicht nur in den liebevoll gepflegten alten Bauten überall spürbare Tradition der Handels- und Universitätsstadt, und durch die grüne Lieblichkeit seiner neuen Stadtteile heimatlich vertraut erschienen.

 

So bedeutet es für mich eine sehr große Freude, dass mein Name hier, in einer der neuen Straßen fortleben wird. Ich danke dem Rat der Stadt Rinteln noch einmal von Herzen für dies ehrenvolle Geschenk und für die freundlichen Wünsche für meinen Lebensabend.

 

In der Zuversicht, dass den künftigen Bewohnern der Agnes-Miegel-Straße und allen Einwohnern, alten und neuen, der Stadt Rinteln Glück und Gedeihen in ruhigen Friedenszeiten bestimmt sein wird, bin ich Ihre sehr ergebene Agnes Miegel“.

 

 

Seite 7   Es klingt wie ein Roman. Königsberger Auswanderer wurde Millionär.

Der aus Königsberg/Pr. stammende, jetzt 28 jährige Uhrmacher Theodor Däubler lebte zuletzt in Bremen. Da bot ihm ein 2 Jahre früher bereits nach Lartford (USA) ausgewanderter Berufskollege seine Hilfe zur Einwanderung in Amerika an. Ende März 1955 fuhr er mit dem schwedischen Auswandererschiff „Ilse Oeren" nach den Staaten, wo ihn im Hafen von Boston sein Freund erwartete.

 

Bei unfreundlichem Aprilwetter mit hohem Wellengang und in schon hereinbrechender Dämmerung stand Däubler trotzdem unentwegt an der Reling, um wissbegierig die ersten Eindrücke vom neuen Kontinent in sich aufzunehmen. Als das einfahrende Auswandererschiff gerade an einer fest verankerten Yacht vorbeifuhr, blitzten dort Scheinwerfer auf und suchten die wild schäumenden Wellenkämme ab. Da vernahm Däubler trotz des heulenden Sturms ganz schwach Hilfeschreie und sah nun auch, schon dicht an der Bordwand des Schiffes, hilflos eine Frau im Wasser treiben.

 

Ohne einen Augenblick zu zögern, den Zuruf eines Matrosen: „Sind sie nicht ganz bei Trost!" nicht achtend, sprang Däubler mit einem Hechtsprung ins Meer. In letzter Sekunde konnte er noch die ohnmächtig absinkende Frau ergreifen und so lange über Wasser halten, bis sie ein Rettungsboot aufnahm.

 

Dieses Erlebnis vergaß er bald unter der Fülle der neuen Eindrücke. Doch eines Morgens liest er in der Zeitung die Aufforderung: „Zur Abholung einer Belohnung von 100 000 Dollar wird der Mann aufgefordert, sich zu melden, der am 8. April gegen 20 Uhr Miß Loren Fisher im Hafen von Boston vom Tode des Ertrinkens rettete“. Däubler meldete sich bei dem mit den Ermittlungen beauftragten Detektivbüro, wo sich vor ihm bereits 32 andere „Lebensretter" gemeldet hatten. Jedoch konnte Däubler mit Hilfe des Kapitäns der „Ilse Oeren" und des Matrosen, der ihn bei seinem mutigen Sprung beobachtet hatte, die Tat beweisen. Bei einer Einladung zum Tee lernte er nun die gerettete Miß kennen und erhielt die 100 000 Dollar Belohnung.

 

Diese etwa gleichaltrige Loren Fisher war die Besitzerin der Yacht, namens „Ole", auf der sich der Unglücksfall ereignete, und außerdem auch von etwa 40 Millionen Ölaktien. Zudem war sie „bildhübsch", sie war zweimal zur „Miß New York" gewählt worden; auch als Tennis- und Wassersportlerin hatte sie einen Namen.

 

Kurz und gut: man fand Gefallen aneinander, verlobte sich und vor kurzem erlebte Boston die Prunkhochzeit zwischen der amerikanischen Millionärin und dem schlichten ostpreußischen Uhrmacher, der sich seine Braut gewissermaßen in letzter Sekunde aus dem Wasser gefischt hatte. Dr. Kl.

 

 

Seite 7   Lebensretter fand den Tod. Tragisches Ende eines Danziger Auswanderers im kanadischen Busch.

Der deutsch-kanadischen Zeitung „Der Nordwesten“ entwenden wir den nachstehenden Bericht über den tragischen Tod des Neueinwanderers Franz Kachubowski aus Danzig:

 

Ein erschütterndes Schicksal suchte den Neueinwanderer Franz Kachubowski, 39 Jahre alt, Familienvater von 5 Kindern im Alter von 2 Monaten bis 13 Jahren, wohnhaft in Stonewall, heim. Kachubowski ist heimatvertriebener Deutscher aus dem schönen Danzig, der sich Canada als seine neue Heimat gewählt hat. Er war ein tüchtiger und hilfsbereiter Mann und hat sich dadurch viele Freunde erworben. Bei ihm galt das Sprichwort: Alle für einen – einer für alle.

 

Seit dem Frühjahr 1955 arbeitete Kachubowski mit seinem Schwiegervater und einem polnischen Emigranten im Busch in Niddrie Mile 55 (Ontar'o). Am 6. November 1955 wollten er und ein anderer Deutscher und der Pole die Verpflegung vom Camp holen. Um den Weg, der vom Shack bis zum Camp 6 - 8 Meilen misst, abzuschneiden, benutzten sie ein Motorboot. Auf dem See kenterte das Boot. Alle drei Insassen fielen ins Wasser. Der andere Deutsche rettete sich durch Schwimmen ans Ufer. Kachubowski war auch schon 20 Fuß geschwommen. Aber das Hilferufen des Polen, der Nichtschwimmer war, ging Kachubowski, der nicht nur an sich dachte, zu Herzen, so dass er zurückschwamm, um seinem Kollegen zu helfen. Der Pole muss wohl in seiner Todesangst Kachubowski so gepackt haben, dassss beide ertrunken sind. Die Leichen sind bis heute nicht gefunden worden.

 

Auf diese Weise wurde Franz Kachubowski, der noch einmal ganz von vorne beginnen wollte, um seinen Kindern eine bessere Zukunft zu schaffen, jäh aus dem Leben gerissen. Die Bürger von Stonewall haben sich inzwischen in treusorgender Weise der leidgeprüften Familie angenommen. Das Blatt schließt diesen erschütternden Bericht mit einem Appell an die Hilfsbereitschaft der deutschen Landsleute in Kanada, den auch wir gleichlautend an unsere Leser richten möchten:

 

Ist hier nicht eine Hilfe nötig?

 

 

Seite 7   Alles Gute trägt Frucht.

Einer unserer treuesten Leser, Herr Adam Lojewski aus Neubeckum in Westfalen (früher Lyck) sandte uns den nachstehenden Bericht über seine Flucht aus der Heimat, der uns wert erscheint, als ein schönes Zeichen der Nächstenliebe veröffentlicht zu werden.

 

Wir möchten an dieser Stelle auch in Zukunft Erlebnisberichte unserer Leser, soweit sie allgemein interessieren, zum Abdruck bringen. Eine thematische Begrenzung soll dieses Vorhaben nicht einengen.

 

Wir bitten um recht rege Beteiligung.

Das Schicksal spinnt oft sonderbare Fäden im Leben der Menschen, und es ist mir heute, wenn ich an diese beiden Erlebnisse, die ich hier zu erzählen versuche, zurückdenke, als hätte hier Gottes Hand sichtbar gemacht, dass jede gute Tat, so wie um ihrer selbst willen geschah, das Gute in der Welt hält und fortzeugt.

 

Es war im Sommer des Jahres 1944, an einem herrlichen Sonntagvormittag. Der Lyckfluss lockte zum Bade. Auch wir, meine Frau und ich, suchten die angenehme Kühle des Flusses, nachdem wir zuvor auf dem Tennisplatz des Männerturnvereins Lyck auf dem Jahnplatz Tennis gespielt hatten. Nach einem erfrischenden Bade überließen wir uns auf der Uferwiese der herrlichen Sommersonne.

 

Schon eine Zeitlang beobachtete ich, wie sich zwei Männer — wie ich glaubte — von der Strömung den Fluss herunter tragen ließen und wie im Spiel fortgesetzt, bald der eine, bald der andere untertauchten. Ein Spiel, zu dem Sonne und Wasser verleiteten.

 

Im Näherkommen aber musste ich jäh erschreckend bemerken, dass sich hier ein Spiel auf Leben und Tod vollzog, ein letztes Bemühen, sich über Wasser zu halten. Bei unserem Lagerplatz, wo der Fluss eine Sandbank gebildet hatte, gewann der eine der beiden Ertrinkenden festen Boden und konnte sich mühsam ans Ufer retten. Der andere trieb weiter in den Fluten und wehrte sich, des Schwimmens unkundig, mit immer kraftloseren Bemühungen gegen das Versinken. Ich lief ins flache Wasser und hielt dem Herantreibenden einen Stock entgegen, den dieser mit letzter Kraft ergriff und festhielt. So konnte ich ihn ans rettende Ufer ziehen. Inzwischen hatte sich der erste einigermaßen erholt. Bei dem anderen, der zu viel Wasser geschluckt hatte, und nun völlig erschöpft war, musste ich sofort mit Wiederbelebungsversuchen und Atemübungen einsetzen, um ihn der noch immer bestehenden Lebensgefahr zu entreißen. Die Bemühungen waren von Erfolg und nach einiger Zeit hatte er sich wieder soweit erholt, dass er in der Lage war, mit seinem Kameraden nach Hause zu gehen.

 

Es stellte sich heraus, dass beide französische Kriegsgefangene waren; des Schwimmens nicht kundig, waren sie beim Baden plötzlich in tiefe Stellen des tückischen Flusses geraten, wo sie die Strömung ergriffen und mitgerissen hatte. 

 

Das war im Sommer. Wenige Monate später war es ein französischer Kriegsgefangener, der uns auf der Straße der Flucht selbstverständlich seine Hilfe bot und uns aus der Zone der Gefahr herausbrachte. Im Herbst, als die Front immer näher kam und die russischen Flieger die in der Nähe der Grenze liegenden deutschen Städte wiederholt mit Bomben belegt hatten, bekamen die Kreis- und Stadtverwaltungen der gefährdeten Städte die Anweisung, Ausweichorte und -stellen für ihre Verwaltungen einzurichten. Für Lyck wurde die Stadt Allenstein bestimmt, und ich hatte den Auftrag, für unsere Stadtverwaltung dort eine Ausweichstelle einzurichten. Natürlich war Allenstein nicht weniger gefährdet als Lyck selbst, wie wenig später schon die Bombenangriffe auf Allenstein zeigten. Aber Befehle sind da, um ausgeführt zu werden, da konnte man nichts machen!

 

Inzwischen strömten die Flüchtlingstrecks von Osten, und eines Tages im Januar 1945 erfasste die Welle auch die Stadt Allenstein. An die Einwohner der Stadt erging die Aufforderung, zu Fuß, mit Pferdefuhrwerk oder Auto in Richtung Wormditt zu fliehen. Auch sollten Flüchtlingszüge von der Bahn bereitgestellt werden.

 

Der Bahnhof aber war überfüllt von Menschen und niemand wusste mit Bestimmtheit zu sagen, ob und wann die in Aussicht gestellten Züge fahren werden. So beschloss ich denn, mit meiner Frau zu Fuß die Straße nach Wormditt zu gehen, im Stillen hoffend, dass sich vielleicht ein Auto finden werde, das uns mitnimmt. Auf der Straße reihte sich Auto an Auto, eine nicht enden wollende Kette, alle wie wir auf der Flucht in Richtung Westen. Der Arm erlahmte uns fast, so winkten wir am Rande der Straße und baten um Mitnahme. Keiner der Wagen aber hielt an, obgleich in vielen Platz genug für uns zwei alte Menschen gewesen wäre.

 

Endlich, es dunkelte schon und wir hatten die Hoffnung längst aufgegeben, hielt ein Lastkraftwagen auf unser Winken an. Wer ermisst unsere Freude, als uns der Fahrer bereitwillig hinten aufsteigen hieß. Es war ein Fahrzeug, das die letzten Bediensteten der Gasanstalt Allenstein aus der bedrohten Stadt herausbrachte. Mit diesem Wagen fuhren wir bis Elbing, von wo aus wir mit dem Güterwagen weiter nach Stettin fahren konnten.

 

Der Fahrer jenes Wagens aber war ein französischer Kriegsgefangener, wie sich herausstellte. Tränen des Dankes standen uns nach den Enttäuschungen dieses Tages in den Augen.

 

Diese beiden Erlebnisse beschäftigen mich noch heute recht oft und ich glaube an Verbindungen und Zusammenhänge, wie sie Gott hier so sichtbar vor Augen führte, glaube, dass nichts an Liebe und Gutem in den Wind gesät ist, dass es zu seiner Zeit aufgeht und Frucht trägt.

 

Ich schreibe dies alles in dem Wunsche, hiermit ein winziges Teilchen zur Völkerverständigung und – Versöhnung beitragen zu können.

 

 

Seite 7   Ostpreußische Spätheimkehrer-Schicksale. Einmal nur den Jungen sehen.

Der jetzt 48-jährige Spätheimkehrer Willi Oberland hatte schon 1943 die Sehkraft des rechten Auges durch grünen Star eingebüßt. Trotzdem geriet er in den Tagen des Zusammenbruches zwei Jahre später bei den Kämpfen um seine Heimatstadt Königsberg in sowjetische Gefangenschaft.

 

Elf Jahre währte sein Leidensweg durch die verschiedenen Kriegsgefangenenlager, vor allem in der Gegend von Swerdlowsk im Ural. Während er noch bis 1953 alle Strapazen und Entbehrungen eines als voll arbeitsfähig geltenden Gefangenen durchhielt, wurde er im Sommer 1953 durch den Verlust der Sehkraft auch des linken Auges zum hilflosesten Menschenwrack des Lagers. Niemand konnte ihm dort helfen. Mit dem letzten Kranken-Heimkehrertransport traf Willi Oberland aus der Sowjetunion in Friedland ein. Seine Familie hatte nach der Heimatvertreibung Wohnung in Berlin gefunden. Im Flughafen Berlin-Tempelhof erwarteten seinen Anflug die Frau und sein schon zwölfjähriger Sohn Rüdiger, den er noch nie gesehen hatte und auch jetzt nicht sehen konnte. Auch die Blumen, die ihm der Heimkehrerverband und das Rote Kreuz als Gruß schickten, konnte er nicht schauen.

 

Oberlands große, ja einzige Hoffnung ist, dass ihm Berliner Spezialärzte, die er baldigst aufsuchen will, durch eine Operation wenigstens das linke Auge retten können. Seine Frau und andere Menschenfreunde haben sich opferbereit erklärt, erforderlichenfalls eines ihrer gesunden Augen zu opfern. Ist doch der größte Wunsch des Heimkehrers, einmal seinen Jungen zu sehen. Dr. Kl.

 

 

Seite 7   Totgeglaubter kehrt nach 11 Jahren zurück.

In Lüsche, Kreis Vechta, konnte eine Mutter ihren seit 11 Jahren verschollenen Sohn wieder in die Arme schließen.

 

Harry Eisenblätter aus Ostpreußen wurde als 15-jähriger von den Russen gefangen genommen. Seitdem fehlte von ihm jede Spur. Jetzt kehrte er aus dem Fernen Osten, aus Wladiwostok, wo — wie er aussagte — bei seinem Abtransport noch rund 4000 Deutsche weilten, zurück. Nach seinen Angaben bestand keinerlei Möglichkeit, Verbindung mit der Heimat aufzunehmen. Harry wurde zusammen mit 34 Gefangenen entlassen, wurde jedoch zunächst noch als Nichtamnestierter vier Wochen im Zuchthaus Bautzen festgehalten.

 

In Hamburg, fand er jetzt Arbeit, hier brachte er auch in Erfahrung, dass seine Mutter jetzt in Lüsche lebt.

 

Wer könnte die Freude dieses Wiedersehens beschreiben!

 

 

Seite 7   Eltern und Schwester nach 12 Jahren wiedergefunden.

Der 35-jährige Bauhilfsarbeiter Adolf Kaldaweit aus Ostpreußen wunderte sich dieser Tage nicht schlecht, als der Angestellte Hans-Heinrich Reclam vom Bad Hersfelder Passamt bei der Ausstellung seiner Kennkarte den schönen ostpreußischen Namen gleich richtig schreiben konnte. „Sowas ist selten", sagte Kaldaweit. Aber der Passbeamte meinte: „Den Namen habe ich doch gerade kürzlich bei einer Antragstellerin geschrieben“. Kurz darauf entdeckte der 35-jährige in Bad Hersfeld seine Schwester, die er zuletzt 1943 gesehen hatte, als er als Soldat auf Urlaub war. Die Schwester konnte auch von den vermisst geltenden Eltern berichten, die in Niedersachsen nach der Vertreibung aus Ostpreußen eine neue Heimat gefunden hatten.

 

 

Seite 7   Ostpreuße feierte goldenes Meisterjubiläum.

Am 26. Januar 1956 konnte der Tischlermeister Franz Morgenroth sein goldenes Meisterjubiläum feiern. Der aus Allenburg, Kreis Wehlau in Ostpreußen stammende Jubilar wohnt heute in Harsewinkel in Westfalen, wo er mit seiner Gattin in einem schmucken Siedlungshäuschen wohnt. Bis zur Vertreibung von Haus und Heimat war er Obermeister der Tischlerinnung Allenburg. Dort besaß er einen ansehnlichen Tischlereibetrieb und ein Möbelgeschäft. Dass er das Vertrauen seiner Mitbürger besaß, offenbart die Zugehörigkeit zu verschiedenen Vereinen und Gremien, in denen er sich betätigte, so u. a. auch als Vorstand des Mädchenwaisenhauses Bethesda zu Allenburg.

 

So ist es kein Wunder, dass dem Jubilar jetzt zu seinem goldenen Meisterjubiläum von seinen alten Bekannten und vielen früheren Mitarbeitern überaus zahlreiche Glückwünsche zuteilwurden. Aber auch die Kreishandwerkerschaft des Kreises Warendorf, zu dem Harsewinkel, der jetzige Wohnsitz des Meisters gehört, bedachte ihn mit einer Ehrengabe in Form einer Ehrenurkunde, gewidmet für die fünfzigjährige treue Mitarbeit in der Tischlerinnung. Die Auszeichnung wurde vom Kreishandwerksmeister und dem Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft persönlich überbracht.

 

Eine besondere Freude war es für Herrn Morgenroth, dass ein großer Teil seiner früheren Lehrlinge noch ihres Lehrmeisters gedachten und ihm zum goldenen Meisterjubiläum gratulierten. Eine besondere Überraschung hatte sich ein ehemaliger Lehrling, der heute selbst Tischlermeister ist und in Lienen, Kreis Tecklenburg (Westfalen) wohnt, für seinen Lehrmeister ausgedacht. Er fertigte eine kleine Truhe an, deren Seitenwand, in schöner handwerklicher Arbeit ausgeführt, das Datum 26.01.1906 und 26.01.1956 trägt.

 

Einer der vielen Gratulationsbriefe enthielt neben einem alten Foto auch einen 25 Jahre alten, vergilbten Zeitungsausschnitt, der seinerzeit über das silberne Meisterjubiläum des Herrn Morgenroth berichtet, an dem auch das erwähnte Bild erinnert.

 

Im Übrigen ist der Gesundheitszustand des Jubilars noch recht zufriedenstellend. So konnte er wenige Tage vor seinem Jubiläum In voller Frische die Vollendung seines 75. Lebensjahres feiern. Auch wir wünschen dem Jubilar und seiner Ehefrau weiterhin alles Gute und vor allem gute Gesundheit

 

 

Seite 8  Eltern suchen ihre Kinder.

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg, Osdorf, Blomkamp 51, unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit. das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Gesucht werden aus:

Altweide, Kreis Heydekrug: Die Geschwister Horst Ney, geb. 01.11.1941 in Altweide und Helga Ney, geb. 23.10.1943 in Altweide, von ihrem Vater Franz Ney, geb. 29.11.1885.

 

Eydtkau, Kreis Ebenrode: Erich Waldemar Räder, geb. 26.08.1935 in Insterburg, von seiner Mutter Charlotte Schulz, geb. Räder, geb. 02.05.1914.

 

Friedland, Kreis Bartenstein, Siedlerweg 30: Die Geschwister Rosemarie Hinz, geb. 07.08.1938 in Friedland, und Harald Hinz, geb. 15.10.1943 in Friedland, Alfred Hinz, geb. 06.11.1936 in Friedland.

 

Götzendorf, Kr. Wehlau, Waisenhaus: Hans Panzer, geb. 20.05.1940 in Königsberg, von seiner Mutter Erna Hawacker, geborene Panzer, geb. 15.12.1917.

 

Kleeburg, Kreis Elchniederung: Klaus Klunkat, geb. 27.061938, von seiner Mutter Herta Klunkat, geb. 25.05.1906.

 

Königsberg, Oberhaberberg 38: Manfred Skottke, geb. 03.09.1938 in Königsberg, von seiner Stiefmutter Elisabeth Skottke, geborene Bernowski, geb. 18.12.1895. Manfred soll sich mit seinen Geschwistern Siegfried Skottke, Günter Skottke und Christel Skottke in Litauen aufgehalten haben.

 

Königsberg, Philosophendamm 5: Die Geschwister Jürgen Hiltner, geb. 19.03.1942 in Königsberg und Bernd Hiltner, geb. 28.06.1944 in Königsberg, von ihrem Vater Hans-Joachim Hiltner, geb. 13.07.1913. Beide Kinder befanden sich nach dem Tode der Mutter vorübergehend in Betreuung ihrer Tante Herta Hiltner und sind dann wahrscheinlich in ein Waisenhaus in Königsberg gekommen.

 

Steckbrief mit Foto: Bild-Nummer 926

Name: unbekannt

Vorname: unbekannt

Geboren: geschätzt August 1944

Augen: grau

Haar: dunkelblond

Es scheint sich um ein ostpreußisches Kind zu handeln. Im Januar 1945 wurde der Knabe 4 km vor Heilsberg bei Rehagen in einem Pferdefuhrwerk aufgefunden. Das Fuhrwerk lag in einem Straßengraben. Die Insassen waren der kleine Knabe und zwei Frauen im Alter von 60 und 50 Jahren. Die 50-jährige Frau starb und die 60-jährige bestieg einen anderen Flüchtlingswagen. Sie wurde dadurch von dem Knaben getrennt.

 

Königsberg, Tragheimer Kirchenstraße 28: Ulrich Turowski, geboren 17.07.1943 in Königsberg, von seinem Vater Alfred Turowski, geboren 19.01.1893. Der Junge befand sich in Begleitung seiner Mutter Eva Turowski, geboren 25.05.1909 und seiner Großmutter Maria Steinke, geborene Schimmelpfennig, geboren 08.07.1885, aus Königsberg, Neuroßgärter Kirchenberg. Während des Krieges verzogen sie nach Fischhausen (Samland), Kirchenstraße. Alle drei sollen mit einem Schiff von Pillau (Ostpreußen) aus geflüchtet sein. Die letzte Nachricht erhielten die Angehörigen von Kußfeldt, Kreis Neustadt.

 

Königsberg-Speichersdorf: Ein Herr Mau, der Auskunft über einen Transport geben kann, der 1948 aus Königsberg kam. Herr Mau soll in Thüringen leben.

 

Königsberg, ehemaliges York-Krankenhaus oder Lazarett: Liane Will, geboren 01.10.1942 in Königsberg, von ihrem Vater Willi Will, geboren 03.03.1911. Liane wurde im Oktober 1946 wegen Brechdurchfall zusammen mit zwei Brüdern in dieses Krankenhaus gebracht. Das gesuchte Mädchen hatte eine Narbe unter dem Kinn, die von einer Drüsenoperation herrührte.

 

Lindental bei Heinrichswalde, Kreis Elchniederung: Benno Lutat, geboren 03.04.1935 in Lindental, von seinem Vater: Hermann Lutat, geboren 03.03.1895.

 

Lobitten, Kreis Samland: Die Geschwister Ulrich Hinz, geboren 06.11.1933 in Kingitten, Christel Hinz, geboren 23.12.1934 in Kamnicken, Kurt Hinz, geboren 19.03.1937 in Rachsitten, Sieglinde Hinz, geboren 06.10.1939 in Stambeck und Ingrid Hinz, geboren 21.07.1941 in Lobitten, von ihrer Mutter Maria Hinz, geborene Weidemann, geboren 15.11.1904.

 

Mitschullen, Kreis Angerburg: Edeltraut Keßlau, geboren 11.09.1933 in Albrechtswiesen, von ihrem Bruder Kurt Keßlau und ihrem Bruder Adolf Keßlau.

 

Nalegau, Kreis Wehlau: Horst Schalko, geb. 29.03.1934, von seinem Vater Ernst Schalko, geb. 15.12.1904.

 

Rodungen, Kreis Schloßberg: Inge Schulz, geb. 16.05.1936 in Rodungen, von Gustav Schulz, geb. 11.08.1894.

 

Skuldeinen, Kreis Elchniederung: Horst Matzick, geb. 1935, von seiner Schwester Ursula Matzick, geb. 03.11.1934. Die Mutter Helene Matzick, geborene Palasdis wird ebenfalls noch gesucht.

 

Schillmeysen, Kreis Heydekrug: Kurt-Bruno Kurpeik, geb. 08.06.1934 in Schillmeysen, von seinem Pflegevater Michael Wallendschus.

 

Schloßberg: Adolf Ramoser, geb. 21.07.1936 in Frankenreuth, von seinem Stiefvater August Mirbach.

 

Schönwiese, Kreis Heilsberg: Gerhard Baehr, geb. 15.05.1935 in Quetz, von seinem Bruder August Baehr, geb. 27.02.1931.

 

Wetterau, Kreis Schloßberg: Erwin Mirbach, geb. 16.02.1938, von seinem Vater August Mirbach, geb. 17.05.1902.

 

Waldrode, Kr. Ortelsburg: Die Geschwister Meinhard Lissek, geb. 23.04.1933 in Waldrode, Günther Lissek, geb. 09.11.1937 in Waldrode, und Werner Lissek, geb. 02.05.1940 in Waldrode, von ihrer Schwester Gertrud Lissek, geb. 15.04.1929. Die gesuchten Kinder sollen im Januar 1945 zusammen mit ihrer Mutter nach Neuenhagen, Kreis Köslin, geflohen sein. Von dort aus sollen sie Ende Februar 1945 auf dem Wasserwege weiter geflohen sein.

 

Willenberg, Kreis Ortelsburg, Gartenstraße 22: Die Geschwister Alois Bialowons, geb. 04.02.1933 in Willenberg, Sabine Bialowons, geb. 28.01.1935 in Willenberg, Edmund Bialowons, geb. 07.06.1937 in Willenberg, und Herbert Bialowons, geb. 14.11.1940 in Willenberg, von ihrem Vater Adam Bialowons, geb. 19.11.1906.

 

Zinten, Kreis Heiligenbeil, ehemalige Straße der SA 27: Ursula Will, geb. 18.09.1934 in Zinten, von ihrem Bruder Siegfried Will, geb. 24.04.1927. Die Mutter Elisabeth Will, geborene Grube, geb. 02.02.1908, sowie der Bruder Günter Will, geb. 19.09.1930, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Steckbrief mit Foto: Bild-Nummer 567

Name: Kaehn

Vorname: Hans-Jürgen

Geboren: 23.12.1938 in Insterburg

Augen: grau

Haar: dunkelblond

Hans-Jürgen lebte bei seiner Großmutter in Königsberg. Nach deren Tod kam er zu Frau Klein in Pflege. Von dort aus wurde er später evakuiert. Die Mutter des Jungen, Eva Margarete Kaehn, von Beruf Hausgehilfin, deren Heimatanschrift Pillau war, soll verstorben sein.

 

Steckbrief mit Foto: Bild-Nummer 989

Name: unbekannt

Vorname: Edith

Geboren: etwa 1941

Augen: graublau

Haar: dunkelblond

Edith kam am 09.03.1945 mit einem Transport aus Ostpreußen. Sie war sehr einfach gekleidet und stammt wahrscheinlich vom Land. Sie lispelt etwas und war sehr schüchtern und sprach sehr wenig.

 

 

Seite 8   Foto: Kriegsgräberstätte Sandweiler/Luxemburg.

Auf dieser vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge gestalteten und im Sommer des Vorjahres eingeweihten Ehrenstätte ruhen an die 11 000 deutsche Gefallene des letzten Krieges. Soweit sie identifiziert werden konnten, sind sie auf dem großen Totenfeld in Einzelgräbern beigesetzt. Bei einer großen Zahl der Gefallenen war jedoch eine einwandfreie Identifizierung nicht mehr möglich; sie wurden in dem Kameradengrab, das von einem mächtigen Hochkreuz aus schwäbischem Granit überragt wird, zur letzten Ruhe gebettet.

 

 

Seite 8   Helft Gefallenenschicksale aufklären.

Viele Familien sind auch heute noch überschattet von der Ungewissheit, dass über dem Schicksal des Gatten, des Vaters oder des Sohnes lastet. Hier helfend und vermittelnd zu dienen und Licht in die quälende Ungewissheit zu bringen, ist seit Jahren das vornehmste Bemühen unseres Blattes. Zu den bisherigen Listen des Suchdienstes beginnen wir heute mit der laufenden Veröffentlichung von Namen von Gefallenen des letzten Krieges, die verstreut in deutscher und fremder Erde ruhen und deren Angehörige bislang noch nicht ermittelt werden konnten.

 

Wir bitten unsere Leser, uns bei der Aufklärung auch dieser Schicksale zu unterstützen und eine Brücke schlagen zu helfen zwischen den fernen Gräbern und den Familien in der Heimat. Zuschriften mit Angabe der Z-Nummer hinter dem Namen erbitten wir an unsere Redaktion.

 

Fritz Braun, (Z4908), geb. 07.09.1908 Königsberg, Ehefrau: Margarete Braun, Königsberg, Kohlhof 1047, Nr. 51

 

Helmut Günther, (Z 4930), geb. 16.12.1923 Wischwill. Vater: Benno Günther, Wischwill, Tilsit-Ragnit.

 

Fritz Hartwich, (Z 4935), geb. 16.02.1917 Drebenau. Eltern: Ostau, Kreis Angerburg/Ostpreußen

 

Hugo Hoppe, (Z 4939), geb. 01.06.1910 Neu-Gebland. Eltern: Hoppe, Allenstein/Ostpreußen, Roonstraße 59

 

Walter John, (Z 4942), Gefr., geb. 29.10.1920 (letzte Zahl von 192? Geraten) Melitopol. Vater: Karl John, Posegnick/Gerdauen Land/Westpreußen

 

Hans Meißner, (Z 4916), geb. 03.03.1912 Graudenz. Ehefrau: Helene Meißner, Marienwerder. Gr. Zeppelin-Str. 26 (Westpreußen)

 

 

Seite 8   Suchdienst - Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige.

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München. Rundfunkauskunft München 13. Infanteriestraße 7a. zu richten.

 

Gesucht werden: August Ranahm, aus Allenstein, frühere Schlageterstr. 15, für Hans Ranahm, geb. 15.05.1923 in Bruchwalde.

 

Familie Rücken, aus Barengrund, für Johann Rücken, geb. 03.11.1887.

 

Familie Seeger, aus Bartenstein, für Gustav Seeger, geb. 11.12.1914 in Stumploch.

 

Maria Stuckert, aus Darethen bei Allenstein, für Josef Stuckert, geb. 01.12.1923 in Darethen.

 

Wilhelm Runge, aus Friedland, Pulverstr. 78, für Helmuth Runge, geb. 24.12.1916 in Wehlau.

 

Hermann Siebling, aus Frödau, Kreis Osterode, für Fritz Siebling, geb. 15.01.1923 in Frödau.

 

Erna Müller, aus Gaugrehweiler, Kreis Roggenhausen, Hauptstr. 28, für Richard Schäffling, geb. 10.02.1908 in Gaugrehweiler.

 

Erna Werner, aus Groß-Barthen, Löwenhagen, Kreis Samland, für Emil Werner, geb. 20.12.1909 in Schernikow.

 

Johann Rabenhorst, aus Großmannstern, Kreis Groß-Werder, für Kurt Wessel, geb. 12.01.1926 in Großmannstern.

 

Wilhelmine Teschendorf, aus Groß-Rosainen, Kreis Marienwerder, für Erich Teschendorf, geb. 22.12.1912 in Groß-Peterwitz.

 

Familie Winkeleine-Stralla, aus Groß-Rosen, Gehlenburg, für Alfred Stralla, geb. 05.12.1905.

 

Familie Wolff, aus Groß-Warzin, für Hermann Wolf, geb. 08.02.1920 in Groß-Warzehnen.

 

Familie Seidler, aus Grzyhina, Kreis Sudauen, für Eduard Seidler, geb. 03.11.1926 in Grzyhina.

 

August Krause, aus Guttstadt, Kreis Heilsberg, Mulgestr. 2, für Bernhard Wermter, geb. 22.03.1926.

 

Familie Weiß, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung für Willi Weiß, geb. 01.03.1908 in Klein-Heinrichsdorf.

 

Johann Sabellek, aus Hohenstein, Kreis Osterode, ehemalige Horst-Wessel-Str. 4, für Paul Sabellek, geb. 15.02.1923 in Hohenstein.

 

Irma Winter, aus Kämmersdorf, Kreis Osterode, für Hans Winter, geb. 10.04.1910 in Kämmersdorf.

 

Warka Sidarenkow, aus Kattern bei Saalfeld, Kreis Mohrungen, für Genadi Sidarenkow, geb. 31.08.1906 in Sbuschin.

 

Familie Studzinski, aus Klein-Bestendorf, Kreis Mohrungen, für von Emil Studzinski, geb. 13.01.1910 in Bürgersdorf.

 

Dorothea Dotos, aus Klein-Honnütz, Kreis Trappen, für Johann Wiltorszky, geb. 26.06.1901 in Trappen.

 

Albert Weiß, aus Kompehnen, Kreis Samland, für Kurt Weiß, geb. 11.02.1920 in Kompehnen.

 

Bernhard Strojka, aus Könitz, Bülower Landstraße 5/3, für Bernhard Strojka, geb. 10.05.1925 in Konitz.

 

Frau Winter, aus Insterburg, Skagerakstr 8 für Herbert Winter, geb. 14.12.1908 in Berlin-Charlottenburg.

 

Gustav Weinert, aus Jaugehnen, Kreis Samland für Gustav Weinert, geb. 15.03.1916 in Jaugehnen.

 

Luise Strogies, aus Lopen, Post Pollwitten, Kreis Mohrungen, für Ewald Strogies, geb. 18.10.1901 in Ernstfelde.

 

Emma Wenskus, aus Memel, Friedrichs-Rhede 17, für Kurt Wenskus, geb. 16.07.1924 in Memel.

 

Gertrud Wirszints, aus Memel, Holzstr. 23, für Martin Wirszints, geb. 08. 01.1903 in Löbarten.

 

Karl Siegmund, aus Pfaffendorf, Kreis Ortelsburg, für Heinz Siegmund, geb. 18.03.1921 in Pfaffendorf.

 

Alexander Seifert, aus Ragnit, Jahnstr. 4, für Heinz Georg Alexander Seifert, geb. 12.03.1921 in Berlin.

 

Viktor Weiß, aus Raschung, Kreis Rössel, für Franz Weiß, geb. 10.08.1924 in Rummau.

 

Auguste Woelk, aus Rastenburg, Hindenburgstraße 28a, für Friedrich Woelk, geb. 09.08.1901 in Langanken.

 

Gustav Wenzel, aus Rastenburg-Neuendorf 34, für Paul Wenzel, geb. 05.09.1918 in Marienhof.

 

Fritz Winziger, aus Rossitten, Kurische Nehrung, für Fritz Winziger, geb. 14.02.1916 in Rossitten.

 

Erna Siedler, aus Saalfelde, Kreis Ostrowa, für Oskar Siedler, geb. 19.03.1923 in Saalfelde.

 

Katharina Wehrwald, aus Schillamühle, Post Schönbrück, für Hugo Wehrwald, geb. 26.10.1914 in Hunigfeld.

 

Familie Wiegelmann, aus Schönfeld, über Allenstein, für Norbert Franz Wiegelmann, geb. 11.11.1913 in Elpe.

 

Franz Wojziechowski, aus Sensujen, Post Honigswalde über Allenstein, für Franz Wojziechowski, geb. 24.12.1913 in Günnigfeld.

 

Familie Siebert, aus Stobben, Kreis Angerburg, für Siebert, geb. 08.05.1913 in Stobben.

 

Amanda Wolko, aus Taubstein, Kreis Sichelburg, für Bernhard Wolko, geb. 21.03.1905 in Kalinowa.

 

Frau Fr. Grusas, aus Teukaiten bei Fischhausen, für Siegfried Teich, geb. 13.06.1927 in Rokaiten.

 

Otto Seeger, aus Tilsit, Gartenstr. 7, für Heinz Seeger, geb. 30.09.1923 in Tilsit.

 

Maria Sawalis, aus Tilsit, Gnesener Weg 7, für Heinrich Sawalis, geb. 12.12.1920 in Tilsit.

 

Familie Seeger, aus Usnitz, für Herbert Seeger, geb. 25.03.1919 in Usnitz.

 

Frieda Seidler, aus Warnigheim, Kreis Rastenburg, für Leo Seidler, geb. 18.12.1914 in Wilkendorf.

 

Berta Wohlgemuth, aus Warschfelde, Kreis Elchniederung, für Kurt Wohlgemuth, geb. 26.02.1915 in Warschfelde

 

Berta Wiegratz, aus Weedern, Kreis Tilsit, für Walter Wiegratz, geb. 16.06.1926 in Maruhnen.

 

Katharina Wenskus, aus Wensken, Kreis Memel, für Franz Wenskus, geb. 19.09.1916 in Lazallen.

 

Anna Wermter, aus Wormditt, Schloßstr. 16, für Otto Wermter, geb. 21.01.1904 in Waltersmühl.

 

Hans Wetzker, aus Woyditten, Kreis Heiligenbeil, für Dietrich Wetzker, geboren 26.06.1926 in Grunau

 

 

Seite 9   Staatsarchiv Göttingen. Quelle ostdeutscher Forschung / Wertmäßig 90 Prozent gerettet.

Zeichnung: Alte Königsberger Speichermarke (Mühlenspeiche) .

Foto: Königsberger Staatsarchiv.

Foto: Staatsarchiv Göttingen, Merkelstraße 3

Die durch glückliche Umstände während der letzten Phase des Krieges nach Westdeutschland geretteten deutschen Ostarchive — vor allem das ehemalige Königsberger Staatsarchiv, aber auch das Stadtarchiv Reval und einige kleinere mitteldeutsche Archive — befinden sich bekanntlich seit Juni 1953 in der Universitätsstadt Göttingen im sogenannten Drei-Männer-Haus (im Volksmunde so genannt, weil hintereinander drei Bauherren vor Vollendung des im Jahre 1907 fertiggewordenen riesigen Hauses die Geldmittel ausgegangen waren) in der Merkelstraße Nr. 3.

 

Von allem aus der Heimat vertriebenen Ostdeutschen sind demnach die Ostpreußen allein in der glücklichen Lage, über ihr historisches Archiv, in dem auch die Ostpreußen viele Arbeitsunterlagen finden, zu verfügen. Die Historiker aller anderen ostdeutschen Volksgruppen sind darauf angewiesen, in westdeutschen Archiven nach aus ihren Heimatländern stammenden Archivalien zu forschen und die bereits vor 1945 erschienene Literatur zu benutzen. Dieses „Abstauben" in westdeutschen Archiven — vor 1945 meist vernachlässigt — bringt allerdings oft überraschende Ergebnisse, ist aber doch sehr zeitraubend und kostspielig. Es ist daher sehr verdienstvoll, dass das J. G. Herder-Institut in Marburg eine karteimäßige Erfassung aller in westdeutschen Archiven befindlichen ostdeutschen Archivalien durchführt. Alle diejenigen, die sich für die Geschichte von Ost- und Westpreußen interessieren, können in Göttingen die Bestände des Staatsarchivs Königsberg benutzen. Wer über Reichsgeschichte oder die Reformationsgeschichte in Deutschland arbeitet, muss auch die Quellen in Göttingen berücksichtigen.

 

Wie der Leiter des Staatlichen Archivlagers in Göttingen, Staatsarchivdirektor Dr. Kurt Forstreuter, der bereits vor dem Kriege im Staatsarchiv Königsberg tätig war, in seinem kürzlich erschienenen Buch „Das Preußische Staatsarchiv in Königsberg, ein geschichtlicher Rückblick mit einer Übersicht über seine Bestände“ mitteilt, sind mengenmäßig nicht ganz ein Drittel, wertmäßig aber neun Zehntel gerettet. Einen besonders großen Wert hat das Archiv des Deutschen Ritterordens, das aus ca. 4600 Pergamenturkunden, den Ordensfolianten und etwa 30 000 „Briefen“ des Ordensbriefarchives (aus den Jahren 1198 bis 1525) besteht. Prof. Dr. Walther Hubatsch. Göttingen, hat in dem 1948 herausgegebenen Regestenwerk „Regesta Historicodiplomatica Ordinis S. Marie Theutonicorum' die vor allem von dem verstorbenen Geheimen Staatsarchivrat Erich Joachim, Königsberg, verfassten Inhaltsangaben aller Pergament-Urkunden und der 19 357 Briefe des Zeitraumes 1198 bis 1510 veröffentlicht. Dieses Werkt ist für alle Forscher, die keine Gelegenheit zu Forschungsarbeiten in Göttingen haben, sich aber von den sie besonders interessierenden Archivalien Fotoaufnahmen anfertigen lassen wollen, ein bedeutsames Hilfsmittel.

 

Noch umfangreicher, vor allem für die Reichs- und Reformationsgeschichte wichtig, ist das Archiv des altpreußischen Herzogtums, das „Herzogliche Briefarchiv“ (1525 bis 1700). Dieser Bestand enthält einen reichhaltigen Briefwechsel mit ausländischen Fürsten, zahlreiche Künstlerbriefe und Briefe von Reformatoren (17 Briefe M. Luthers, Briefe Melanchthons, Bugenhagens, Zwinglis, aber auch Schreiben von Gelehrten, wie Nicolaus Copernicus u. a.).

 

Die zahlreichen Akten des Etatministeriums (3000 Aktenpakete) stammen aus der herzoglichen Zeit, reichen aber in bestimmte Abteilungen bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Für die Reichsgeschichte besonders wichtig sind die Abteilungen Adel, Deutsches Reich, Handel und Gewerbe, Bestallungen, Universität, Auswanderer usw.

 

Von den Behörden des 18., 19. und 20. Jahrhunderts sind nur die wichtigsten, im Ganzen geringe Teile gerettet. Gerettet sind auch Deposita von ostpreußischen Städten und Innungen, das Adelsarchiv und das Synagogenarchiv. Die Kartensammlung enthält etwa 10 000 Karten, darunter Domänen-, Forst- und Dorfkarten. Eine Fundgrube ist auch der sehr große Bestand der Ostpreußischen Folianten (ab 1525), vor allem die politischen Registranten, aber auch die für die Familienforschung wichtigen „Amtsrechnungen" (16. bis 18. Jahrhundert), die durch die Generalhufenschoß-Protokolle und die Prästationstabellen (18. bis 19. Jahrhundert) eine zeitliche Ergänzung erfahren. Geben die Abstimmungsakten des Oberpräsidiums Königsberg Aufschluss über die Notzeit ostpreußischen Deutschtums nach dem ersten Weltkrieg, so geben die Akten des Memelländer Landtags Zeugnis von dem Volkstumskampf der deutschen Memelländer gegenüber den litauischen Expansionsbestrebungen. Eine nach 1945 neu aufgebaute wissenschaftliche Handbücherei, vor allem ost- und westpreußischen Schrifttums, derzeit etwa 1600 Bände (die alte, 16 000 Bände zählende Handbibliothek konnte aus Königsberg nicht gerettet werden) ist neben den Archivverzeichnissen ein wertvolles Hilfsmittel der wissenschaftlichen Benutzer des Staatlichen Archivlagers.

 

Das Staatsarchiv Königsberg im Staatlichen Archivlager kann keinen regelmäßigen Aktenzuwachs mehr haben. Wohl gelangen durch Schenkungen, zum Teil durch Kauf, im Privatbesitz befindliche Urkunden und Akten, aber auch alte ostpreußische Zeitungen (derzeit befinden sich Einzelnummern von etwa 30 ostpreußischen Zeitungen vor 1945 im Archiv) in das Staatliche Archivlager, doch ist dieser Zuwachs mengenmäßig verschwindend klein. Es wäre aber schon heute zu überlegen, was einmal mit dem nicht mehr gebrauchten Akten der Landsmannschaft der Ostpreußen, Westpreußen, der Danziger und Memelländer, aber auch der Deutschbalten, sowie der ost- und westpreußischen Heimatkreise geschehen soll. Die Überführung dieser in das Staatliche Archivlager nach Göttingen, das eine sichere und fachmännische Aufbewahrung und Benutzung sicherstellen kann, wird einmal die einzig richtige Maßnahme sein.

 

Dass es sich bei dem Archivlager keineswegs um ein „Lager" im üblichen Sinne handelt, beweisen die stetig steigenden Benutzerzahlen und die zahlreichen Anfragen aus allen Teilen Deutschlands und aus zahlreichen anderen Ländern. Vor allem die akademische Jugend, in erster Linie Historiker, aber auch Geographen, Theologen, Agrarwissenschaftler und Theaterwissenschaftler, bedienen sich in zunehmenden Maße der noch lange nicht ausgeschöpften Quellen. Es ist sehr erfreulich, dass nicht nur ost- und westpreußische, sondern auch aus Westdeutschland stammende Studenten für ihre Dissertationen ostdeutsche Themen wählen. Von den nach 1945 im Staatlichen Archivlager erarbeiteten Doktorarbeiten — in der Regel sind für eine Dissertation zwei Arbeitsjahre erforderlich — sind bereits im Druck erschienen:

 

ten Haaf: Deutschordensstaat und Deutsch-Ordensballeien; Peter Gerrit Thielen: Die Kultur am Hofe Herzog Albrechts von Preußen (1525 - 1568); Klaus Murawski: Zwischen Tannenberg und Thorn, Die Geschichte des Deutschen Ordens unter dem Hochmeister Konrad von Erlichshausen (1441 - 1449); Ottokar Israel: Das Verhältnis der Hochmeister des Deutschen Ordens zum Reich im 15. Jahrhundert; Ernst Manfred Wermter: Herzog Albrecht von Preußen und die Bischöfe von Ermland (1525 - 1568); Ernst Theodor Thiele: das Gesandtschaftswesen in Preußen im 16. Jahrhundert; Fritz Terveen: Gesamtstaat und Retablissement, Der Wiederaufbau des nördlichen Ostpreußen unter Friedrich Wilhelm I (1714 - 1740); Ingeborg Mengel: Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg und Albrecht von Preußen; Wilhelm Rautenberg: Böhmische Söldner im Ordensland Preußen, Ein Beitrag zur Söldnergeschichte des 15. Jahrhunderts, vornehmlich des 13-jährigen Städtekrieges 1454 - 1466 (maschinenschriftlich) u. a.

 

Hervorzuheben sind weiter das Werk des Oberarchivrats Dr. Erich Weise: Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert, 2. Band (1438—1467), erschienen 1955; Dr. Kurt Forstreuter: Vom Ordensstaat zum Fürstentum, Geistige und politische Wandlungen im Deutsch-Ordensstaat Preußen unter den Hochmeistern Friedrich und Albrecht (1498 - 1525); Dr. Fortreuter: Preußen und Russland im Mittelalter, Von den Anfängen des Deutschen Ordens bis zu Peter dem Großen (2. Erweiterte Auflage 1955); Prof. Dr. Hubatsch: Im Bannkreis der Ostsee und Quellen zur Geschichte des Deutschen Ordens, sowie zahlreiche Einzelaufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften, wie z. B. Hans und Gertrud Mortensen: Über die Entstehung des ostdeutschen Großgrundbesitzes. Alles in allem: Die ostpreußischen Geschichtsquellen in Göttingen sind ein kräftiger Born, aus dem die Wissenschaft ständig schöpft und in laufenden Neuerscheinungen die gewaltigen Leistungen des Deutschtums im Osten wertet und würdigt.

 

 

Seite 9   Königsberg und das Blutgericht.

Was hat diese Stadt zu allen Zeiten geleistet und gelitten! Welche großen Beispiele zur Nachahmung hat sie der Welt gegeben und welche großen und tüchtigen Männer hat sie geboren und herangebildet! Männer wie Kant, Herder, Hamann, Herbart, Dinter, J. Werner, Bessel u. A. haben hier gelebt und gelehrt. In diesen engen unköniglichen Straßen Königsbergs war es, wo Friedrich Wilhelm III zur Zeit des unglücklichen Krieges im schlichten Überrock vom Schicksal schwergebeugt einherging und durch leutseliges Wesen sich aller Herzen gewann. Hier war es, wo Fichte reden durfte freier wie in Berlin, frei, wie in Preußen keiner vor ihm und nach ihm geredet hat. Hier war es, wo Männer und Patrioten wie Stein, W. v. Humboldt, Niebuhr, Schön u. A. im Stillen das Werk der Vaterlandsbefreiung vorbereiteten, und hier war es endlich auch, wo zu allen Zeiten die Rechte des Volkes überwacht und mutig vertreten wurden!

 

Fasset alles zusammen! Königsberg ist an Geist und Gesinnung ein unschätzbares Juwel im nordischen Städtekranz. Königsberg ist die Stadt, die ihre Schwestern fragen darf: Wer unter Euch hat in der Zeit der Schmach und Gefahr Schmerzen wie ich erlitten und Opfer wie ich gebracht? Königsberg ist die patriotischste der Städte und die ehrwürdigste der Mütter im Norden, denn sie hat den Tugendbund und durch diesen die Unabhängigkeit des Vaterlandes geboren.

 

Weniger tröstlich aber ist ein Blick auf den jetzigen materiellen Zustand Königsberg. Durch seine isolierte, vom Mittelpunkte Preußens und Deutschlands fast abgesperrt zu nennende Lage ohnehin schon sehr im Nachtheil, ist nun auch sein einst so blühender Handel mit Polen, Kurland und den übrigen russischen Provinzen durch die Grenzsperre Russlands völlig vernichtet.

 

Königsberg ist wie Rom auf sieben Hügeln erbaut und auf dem höchsten derselben liegt wie billig das Schloss. Von diesem hat der westlichste Flügel, was die originelle Verbindung seiner Räumlichkeiten betrifft, wohl schwerlich seinesgleichen. Die unterirdischen Räume nämlich dienen zu einem Weinkeller, auf diesem ruht die Schlosskirche und hoch über dem Gewölbe derselben befindet sich ein Tanz- und Balllokal, der „Moskowiter Saal“.

 

Nun stiegen wir, weil's Abend werden wollte, ins Blutgericht hinab. Welch Leben, welch Gewühl war hier! Man sah nur heitre selige Gesichter! Schon in der Vorhalle trafen wir Freunde, die die Sorgen des Lebens auf Champagnerpfropfen an die Decke schnellten. Ein Fass war der Tisch und Fässchen dienten als Stühle. Wir aber forschten nach tiefster Spur und stiegen ins eigentliche Verließ hinab, das, von der Treppe überschaut, einen höchst eigentümlichen Eindruck macht. Ältere Leute scheuen die Temperatur hier als feucht und kalt und so sind denn die langen Tische meist nur von der frohen, das Romantische liebenden Jugend besetzt. Mächtige Fässer decken den Hintergrund und die vom Gewölbe herabhängende, Tag und Nacht brennende Lampe gibt der immer belebten Scene eine wahrhaft rembrandtsche Beleuchtung. Wilhelm Cornelius (1836)

 

 

Quellen über Königsberg. Einen Nachweis darüber, wo gegenwärtig Veröffentlichungen der Stadtverwaltung Königsberg (Pr.) in Westdeutschland eingesehen werden können, gab soeben die Patenstadt Duisburg heraus. Die sechs Seiten umfassende Liste führt Haushaltspläne und -Satzungen, Verwaltungsberichte, Statistische Jahrbücher sowie Monats- und Jahresberichte des Statistischen Amtes, ferner Verordnungs- und Satzungssammlungen sowie wirtschaftliche u. a. Unterlagen auf. Der Berichtszeitraum umfasst die Jahre 1822 bis zum zweiten Weltkrieg.

 

 

Seite 9   Ostpreußische Heimattreffen.

Landestagung der Danziger in Tübingen.  

Der Bund der Danziger (BdD) von Baden-Württemberg wird am Sonntag, dem 18. März 1956, in Tübingen eine Landestagung mit den Bezirks-, Kreis- und Ortsbeauftragten abhalten. Es soll bei dieser Gelegenheit Bericht über die Bundesdelegiertentagung des BdD erstattet werden, die vom 9. bis 11. März in Lübeck stattfindet.

 

Danzig-Westpreußisches Heimattreffen.

Das von der Landsmannschaft Westpreußen in Hessen und dem Bund der Danziger in Hessensen geplante Heimattreffen, das am 15. April 1956 in Marburg stattfinden soll, wird bereits vorbereitet. Beschlossen wurde ferner, das von beiden Organisationen getroffene Abkommen über gemeinsame kulturelle Veranstaltungen möglichst auch auf Kreisbasis durchzuführen.

 

Elbinger treffen sich in ihrer Patenstadt.

Das Elbinger Treffen in der Patenstadt Bremerhaven findet am 12. und 13. Mai 1956 statt. U. a. hat auch Prinz Louis Ferdinand sein Erscheinen zugesagt. Der offizielle Teil soll sich in angemessener Kürze halten. Zu diesem Treffen werden ab Lübeck moderne Reisebusse eingesetzt.

 

Bundestreffen der Westpreußen.

Das Bundestreffen der Westpreußen findet am 7. und 8. Juli 1956 in Hannover statt.

 

Land der dunklen Wälder.

Vom Ratshausturm der Stadt Leer in Ostfriesland klang zum ersten Male das Ostpreußenlied „Land der dunklen Wälder". Der Rat der Stadt hatte im Oktober vorigen ??? die Anschaffung neuer Walzen mit ostdeutschen Liedern für das Glockenspiel im Turm des Rathauses beschlossen.

 

 

Seite 10   Familiennachrichten

Wir gratulieren!

Zur diamantenen Hochzeit:

Ehepaar Stahl (früher Tilsit) am 31.01.1956 in Fischbeck (Weser). Opa und Oma Stahl erfreuen sich bester Gesundheit.

 

Zur goldenen Hochzeit:

Friedrich Langner und Frau Pauline, geb. Kelm, beide aus Prusitzka/Ostpreußen stammend, am 04.02.1956 in Holthausen, Krseis Lingen. Beide Jubilare sind noch rüstig und geistig rege.

 

Ehepaar Boguschewski, das 1945 seinen Hof in Ostpreußen verlassen musste, am 09.02.1956 in Meerbeck (Schaumburg-Lippe). Beide sind noch körperlich wohlauf.

 

Franz Kaufmann und Frau Adele, geb. Bergner, aus dem Memelgebiet, am 12.02.1956 in Marienhagen, Kreis Alfeld, wo sie seit 1947 bei ihrem Sohn leben.

 

Zum 101. Geburtstag:

Amalie Standfuß in Delmenhorst. Oma Standfuß wurde am 25.01.1855 in Ludwigswalde bei Königsberg/Pr. geboren. Sie ist die älteste Delmenhorsterin und noch immer geistig äußerst rege.

 

Zum 82. und 83. Geburtstag:

Emil Krohs, Schuhmachermeister, und Frau Marianne Krohs, geb. Werner, aus Marienwerder stammend, später in Königsberg/Pr. lebend, heute wohnhaft in Nordhorn. Emil Krohs feierte am 02.02.1956 seinen 83. Geburtstag, seine Frau Marianne am 07.02.1956 ihren 82. Geburtstag. Das Ehepaar ist glücklich, seinen Lebensabend im Hause des Sohnes zu verbringen.

 

Zum 82. Geburtstag:

Minna Langhals, geb. Volgmann, gebürtig aus Langendorf bei Schippenbeil, Kreis Bartenstein, am 18.01.1956 in Westerstede. Frau Langhals hat 2 verheiratete Töchter, außerdem 6 Enkel und 5 Urenkel. Ihr Ehemann starb kurz nach der Flucht Ende 1945.

 

Franz Ay, Justizoberwachtmeister a. D., Vertriebener aus Ostpreußen, am 24.01.1956 in Hermannsburg, wo er mit seiner Ehefrau lebt. Das Ehepaar konnte bereits seine goldene Hochzeit feiern.

 

Allen Jubilaren wünscht ihr Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit.

 

 

Es starben fern der Heimat:

Charlotte Fiedler, geb. Penner, aus Markushof, Kreis Marienburg, 69 Jahre alt, in Klein-Schöppenstedt.

 

Gottfried Keichel, Rentner, Flüchtling aus Ostpreußen, 92 Jahre, in Lemshausen bei Göttingen.

 

Gustav Kischkat, Landwirt aus Skrebben, Kreis Tilsit/Ragnit, 68 Jahre alt, in Ochtmissen.

 

Carl Knorr, Bauer, aus Canditten, 72 Jahre alt, in Quakenbrück.

 

Hermann Lindner, Maurer, aus Freystadt/Westpreußen, 63 Jahre, in Anderlingen.

 

Hermann Schlutzkus, Schmiedemeister, aus Gutfließ/Ostpreußen, 79 Jahre, in Etzhorn.

 

 

Von unseren Lesern gesucht

Frau Laupischler, aus Königsberg.

Dr. Kara, aus Königsberg.

Dr. Romanowski, aus Königsberg, von Martin Raabe , Berlin-Zehlendorf, Gilgestraße 15 (früher Kuranstalt Königsberg, Kastanienallee).

 

Fräulein Anna Packmohr, aus Königsberg, Kalthöfische Str. 13, von Frau Olga Mielke, Hannover-Vinnhorst, Friedrich-Ebert-Str. 1.

 

Heinz-Jürgen Koenig aus Fischhausen (Samland), geb. 05.09.1915, von seiner Mutter, Frau Anni Koenig, Hechingen, Silberburgstraße 27. Koenig war Soldat bei der Orthopädischen Versorgungsstelle Königsberg. Die Dienststelle wurde am 28.01.1945 nach Uelzen verlagert, von wo Koenig im April zwecks Neueinrichtung einer Orthopädischen Versorgungsstelle nach Prag abkommandiert wurde. Von hier stammt auch die letzte Post (April 1945). Nach Angaben eines Kameraden sollen alle fünf Soldaten dieser Dienststelle, darunter auch Koenig aus Prag herausgekommen sein. Nach einer anderen Aussage soll Koenig im Sommer 1945 in Deutschland gesehen worden sein.

 

Dr. Robert Graf von Keyserlingk begeht am 10. März 1956 seinen 90. Geburtstag. Er war langjähriger Regierungspräsident in Königsberg/Pr. Der Jubilar wurde in Schlesien geboren und trat nach dem Studium der Rechte in den preußischen Verwaltungsdienst ein, der ihn von Schlesien über Pommern nach Ostpreußen führte. Hier wurde er 1909 zum Präsidenten der Königsberger Regierung ernannt. 1915 wurde er in das preußische Landwirtschaftsministerium berufen. Von 1919 bis 1933 gehörte Keyserlingk dem preußischen Staatsrat als einer der bekanntesten Wirtschaftsführer Deutschlands an. Nach 1933 gab er seine öffentliche Tätigkeit auf und widmete sich schriftstellerischen Arbeiten. Im Mai 1946 wurde er aus seiner schlesischen Heimat vertrieben. Gegenwärtig lebt Graf Keyserlingk bei Kassel.

 

 

Seite 10   Turneifamilie Danzig, Ost- und Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Ahn (23) Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33

Den Märzgeborenen herzliche Glückwünsche für das neue Lebensjahr, besonders gelten sie zur Vollendung des 40.

 

am 04.03.1956: Margarete Schreiber-Fleischer (KTC Königsberg) (40 Jahre) und

 

am 28.3.1956: Elsa Helwich-Schiemann (KTC Königsberg), 40 Jahre

 

 

Zur Vollendung des 50.,

am 05.03.1956: Eva Kloß-Steinbach (Fr. T.V. Königsberg) 50 Jahre und

 

am 20.03.1956: Erika Schulz (Zoppot), 50 Jahre

 

zur Vollendung des 60.

am 01.03.1956: Emmy Kosel (Marienburg) 60 Jahre und

 

am 30.03.1956: Richard Pollack (Heinrichswalde) 60 Jahre sowie

 

zur Vollendung des 93. Lebensjahres

am 13.03.1956: unserm Senior Paul Werner (KTC Königsberg).

 

Aus sowjetischer Gefangenschaft zurückgekehrt ist am 16.12.1955 Herbert Matzat („Matz") vom Königsberger Turnclub zu seiner Gattin nach Elmshorn. Ihm und allen anderen namentlich leider nicht bekannten Heimkehrern gilt unser besonderer Gruß und ein kräftiges Gut Heil!

 

Aus Cortina von den olympischen Winterspielen kam ein Gruß von Siegfried Perrey und Marianne Perrey. Hoffentlich berichten sie recht viel beim nächsten Treffen.

 

In Buenos Aires in Argentinien verblieben ist nach dem Kriege der dort mit der Besatzung des „Graf Spee" interniert gewesene Heinz Gudjons, Sohn des s. Zt. wohl besten Turners des Kreises l Nordost der DT Franz Gudjons von KMTV Königsberg. Er hat dort eine Rheinländerin geheiratet und wird sich über den ersten Turnergruß aus der Heimat gewiss sehr freuen.

 

Beim 9. Wiedersehenstreffen unserer Turnerfamilie vom 31.08. bis 03.09.1956 in Espelkamp-Mittwald kann nach dem bisher bekundeten Interesse mit 250 bis 300 Teilnehmern aus den verschiedensten Heimatvereinen gerechnet werden, darunter eine Reihe erstmaliger Besucher auch aus der Sowjetzone.

 

Ein Jugendgruppenleiterlehrgang in Espelkamp-Mittwald in den Tagen unseres Wiedersehenstreffens ist in Vorbereitung. Näheres darüber in besonderem Rundschreiben demnächst.

 

Der Weihnachtsrundbrief 1956 ist in der Sowjetzone nur bei einem Teil unserer Turnbrüder und Turnschwestern angekommen. Soweit die Namen derjenigen, die er nicht erreichte, bekannt werden, wird eine nochmalige Zustellung versucht, was in einigen Fällen schon Erfolg hatte. Bitte gebt Nachricht, wenn Ihr Mitteilung über das Ausbleiben eines Rundbriefs bekommt.

 

In die Kartei neu aufgenommen

vom T u F Danzig:

Hartwig Elten,

Dietrich Ferch,

Martin Hinz,

Hans Koschorreck,

Dr. Dietrich Koßmann,

Klaus Müller,

Werner Martens,

Friedrich Reschke,

Gerhard Steinhauer,

Hans-Joachim Ulrich,

Hartmut Zube

 

von der Elbinger Turngemeinde:

Erika Berger-Schipplick,

Willy Beck,

Irmgard Böhnack-Jann,

Else Böning,

Gerda Collorio-Böning,

Willi Großmann,

Hermann Haese,

Heinz Hinz,

Erna Hinz-Gland,

Otto Hinzmann,

Erwin Jann,

Ernst Lindenblatt,

Frau Lunk-Weiß,

Wilhelm Marx,

Olaf-Wilhelm Oeverberg,

Gustav Radschuk,

Erich Reuter,

Fritz Rückbrodt,

Lenchen Schmolinski,

Fritz Schulz,

Robert Sindram,

Horst Wedekind,

Käte Werner-Luckwald

 

vom Königsberger Turnclub:

Herbert Matzat,

Benno Rappöhn

 

vom MTV Lyck:

Elisabeth Herpell

 

vom TV Zoppot:

Carl Dittmann.

 

Kriegsgräberfahrten ins Ausland.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge veranstaltet auch in diesem Frühjahr wieder Kriegsgräberfahrten nach Frankreich, Italien, Holland, Belgien, Griechenland und Osterreich. Nähere Auskunft erteilt auf Anfrage die Bundesstelle des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Kassel.

 

Ostdeutsche Motive auf Briefmarken.

Die Schlesische Landsmannschaft hat den Bundespostminister gebeten, durch eine Briefmarkenserie mit Bildern deutscher Baudenkmäler aus West-, Mittel- und Ostdeutschland für die Wiedervereinigung zu werben. Briefmarken mit Köpfen in Ostdeutschland geborener großer Deutscher könnten auf die unter Fremdherrschaft stehenden Ostgebiete aufmerksam machen.

 

Ostdeutscher Kunstatlas.

Alle ostdeutschen Kunstgegenstände, die in westdeutsche Museen gerettet werden konnten, will der Gottfried-Herder-Forschungsrat in einem ostdeutschen Kunstatlas erfassen. Der Kunstatlas soll später auch auf andere Länder Ostmitteleuropas ausgedehnt werden und dabei nur den Anfang einer größeren Schriftenreihe bilden, die sich speziell mit den Bau- und Kunstdenkmälern des europäischen Ostens befasst.

 

 

Seite 10   Anekdote.

Der schlagfertige Oberförster

Für Westpreußen, das Friedrich II. anno 1772, wie man weiß, auf friedlichem Wege mit seinem Staat wiedervereinigen konnte, empfand der große König mehr als landesväterliche Liebe. Sehr oft führte ihn seine Reise — meist in der schwerfälligen Kutsche — in die neugewonnene Provinz.

 

Auf einer dieser Besichtigungen — „Visitation" nannte man das damals — kamen Seine Majestät auch nach der ebenso reizvollen wie einsamen Tucheler Heide, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Europas. Natürlich meldete sich der zuständige Oberförster aus Tuchel, der erst neu angestellt war und wie alle damaligen höheren Forstbeamten Preußens ehemaliger Offizier war, bei seinem König zum Dienst.

 

„Wieviel Bäume hat Er in Seinem Bezirk, Marwitz?" wollte Fridericus wissen, und ein Schalk glomm plötzlich in seinen stahlblauen Augen auf. Dabei fuchtelte er mit dem obligaten Krückstock durch die Luft rund um sich.

 

Der junge Oberförster und Stabsrittmeister außer Diensten v. d. Marwitz war bestimmt nicht auf den Mund gefallen. Das wusste der König genau, aber diesmal war er doch auf die Antwort gespannt.

 

„Acht Billionen fünfundsechzig Millionen siebentausendundeinen, Majestät!" kam diese prompt.

 

Solche Schlagfertigkeit imponierte dem Herrscher, und höchstlich ergötzt, fragte er doch todernst: „Weiß Er das genau?"

 

Darauf der Grünrock dreist und gottesfürchtig: „Jawohl, Majestät können getrost nachzählen lassen!"

 

Friedrich soll sich darüber königlich amüsiert haben.

 

Hätte der Oberförster etwa den zehntausendsten Teil angegeben, wäre die Zahl sämtlicher Bäume der ganzen Tucheler Heide (über 2500 qkm) annähernd zutreffend gewesen.

 

Ostpreußische Spezialbibliothek

Wie wir dem Bericht der Forschungsstelle für Ostdeutsche Landes- und Volkskunde in Niedersachsen entnehmen konnten, hat Oberregierungsrat Dickert, Hannover, seine rund 400 Bände alte und neue Literatur umfassende Privatbibliothek für die Arbeiten der Forschungsstelle zur Verfügung gestellt. Für das Archiv der Forschungsstelle wurde ein Zettelkatalog dieser Bibliothek angelegt.

 

Die Fachabteilung Kunst- und Kulturgut der Forschungsstelle, deren Arbeit sich vor allem auf die Erfassung und Sammlung von Darstellungen und Nachrichten aus privaten Sammlungen erstreckt, konnte als bemerkenswertestes Ergebnis auf eine Sammlung von 305 Reproduktionen der Werke 47 ostpreußischer Künstler aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hinweisen. Die Sammlung stammt aus den Nachlass des Graphikers Prof. Dr. h. c. Heinrich Wolff von der Staatlichen Kunstakademie in Königsberg.

 

Der Kontakt mit den noch lebenden ostdeutschen Künstlern ist durch die Berufung des Leiters der Forschungsstelle in den Vorstand der Künstlergilde Eßlingen noch enger als bisher geknüpft. Dies ermöglicht die Heranziehung der heute noch schaffenden Künstler zu einer Darstellung der im Ostraum, insbesondere Ost- und Westpreußen wirksam gewesenen künstlerischen Kräfte für die Zeit ab 1850, über die eine zusammenfassende Veröffentlichung bisher fehlt.

 

Ausstellungserfolg eines ostpreußischen Malers.

Der ostpreußische Maler Rolf Cavael, München, der gegenwärtig in der Internationalen Ausstellung in Pittsburg, Carnegie Institute, besonderen Erfolg hat, ist zu Ausstellungen nach Paris, Mailand, Florenz und New York eingeladen worden.

 

 

Seite 11   Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte. Eisgang / Erzählung von Werner Woweries.

Foto: Fischer aus Pillkoppen (Vater und Sohn) nach einem Gemälde von Prof. Eduard Bischoff (Aus „Ostpreußischer Bildkalender“, Gräfe und Unzer Verlag, München)

„Wie steht es“? fragte die alte Anna vom Mikoleitschen Hof den Bauern, der sich seine Fischerstiefel auszog und sie polternd in die Ecke stellte.

 

„Es wird schlimm gehen, Anna, die Stangen, die wir vor zwei Stunden gesteckt haben, um zu sehen, wie das Wasser steht, sind schon weit vom Wasser überspült“.

 

Die Anna legte die Bibel, in der sie gelesen hatte, zur Seite. „Wir müssen viel beten, damit die Memel nicht zu uns kommt“. — Sie saß an ihrem Fenster. Von dort aus konnte man des Sommers die qualmenden Schornsteine der Schlepper und die Mastspitzen der Lastkähne über dem Ufergesträuch sehen, wenn sie auf der Memel entlangzogen. Nun aber war es Spätwinter, und das Tauwetter war über Nacht in die Niederung gekommen.

 

Schon Tage vorher hatten die Alten abends vor der Tür gestanden, die Nase in die Luft gereckt und den Wind gerochen.

 

„Diesmal wird der Eisgang doch wohl nicht so schwer, meinten sie; in der Nacht aber schreckten sie auf, wenn der laue Westwind in die Dachschindeln fuhr.

 

Dann war es soweit: mit den Stangen unter dem Arm waren die Männer durch die verschneiten Memelwiesen zum Strom hinuntergestapft, um auf dem Damm nach dem Rechten zu sehen. Donnernd bäumte sich der Fluss gegen seine Eisdecke auf, und bald drehten und schoben sich schulterdicke Eisschollen krachend zu meterhohen Barrieren auf, während weiter stromab das Wasser gurgelnd aus den Eisspalten hervorschoss.

 

Vor den Verlegungen aber brach die Flut in die Niederung ein. Da hatten sie die Gewissheit, dass der Strom bald ein Meer sein würde, das fast von Horizont zu Horizont reichte. Schaktarp, Eisgang auf der Memel — das war Gefahr für die stillen Dörfer am Strom im Ostpreußischen, Gefahr und Segen zugleich, denn im Sommer wuchs das Gras auf den verschlammten Wiesen mannshoch. Jetzt jedoch hatten sie alle Hände voll zu tun, um die Höfe vor dem Wasser und dem Eis zu retten.

 

„Es steht schlecht, sagte der Mikoleit, „das Eis kommt nicht durch. Bei uns nicht und an der Lenkischker Biegung auch nicht. Dort soll sich das Eis fünfzehn Meter hoch gestapelt haben“.

 

„Gott mag uns helfen", antwortete die Anna, „in Lenkischken werden sie keine Stunde mehr warten. Der Ensys, dein Bruder, sprengt bestimmt“.

 

„Er darf es nicht, Anna, nicht, bevor wir dem Strom Luft verschafft haben. Wenn er zuerst sprengt, kommt uns das Wasser bis unter die Dächer.

 

„Gott wird geben, dass alles gut wird", dachte die Anna. Sie wusste, wie tief der Groll der beiden Brüder gegeneinander war. Sie hatten sich schon Jahre lang nicht mehr gesprochen. Es gab nichts mehr zu reden zwischen ihnen, seitdem sie sich zum letzten Mal vor dem Gericht in der Kreisstadt wegen des Erbwaldes gegenübergestanden waren.

 

Daran musste Hans Mikoleit nun denken, als er nach Lenkischken ging. Dort fragte er nach seinem Bruder. Da wies man ihm den Weg hinunter zum Strom.

 

„Er ist zum Sprengen gegangen", sagte man, für dich wird er nun wohl am wenigsten Zeit habe“.

 

Aber Mikoleit hörte nicht darauf, sondern eilte mit weitem Schritt dem tosenden Strom zu, an dem Leute dabei waren, mit Stoßstangen die frei treibenden Schollen zu staken. Weiter in der Strömung hatten sich die Eisstücke am Damm verrannt und hoch aufgetürmt. Auf dem gefährlichen Eis aber stand einer und schlug mit der Hacke darauf ein.

 

Mikoleit wusste, dass es sein Bruder war, der dort ein Loch für die Sprengladungen brach.

 

Er musste jetzt über das offene Wasser. Ohne Zögern sprang er von Scholle zu Scholle, jede schwankte unter der Wucht seines Körpers, dass das Wasser darüber schwappte. Immer näher kam er dem anderen, der auf dem gestauten Eise stand und nur auf seine Arbeit zu achten schien.

 

Was sich dann auf der Eissperre zwischen den Brüdern Mikoleit abspielte, dafür gab es später bei den Gerichtsverhandlungen keine Zeugen. Wohl hatten die Leute, die am offenen Wasser die Eisschollen in die freie Strömung trieben, den älteren Mikoleit über das morsche Eis springen sehen. Wohl hatten sie ihm zugeschrien: „He, Wenn du unter das Treibeis kommst, können wir dich ein ganzes Jahr suchen!" Aber etliche meinten: „Was die zwei miteinander auszumachen haben, das ist ihre Sache!"

 

Und weil schon die Dämmerung hereinbrach, glaubten sie, die Brüder würden ohnehin nicht lange auf dem Strom bleiben.

 

Hans Mikoleit kam jedenfalls an jenem Tage erst in der Nacht auf seinen Hof zurück. Vorher hatte man drei dumpfe Detonationen gehört, und die Anna wusste: das ist bei uns! Gott sei gedankt, sie haben bei uns zuerst gesprengt. Jetzt ist die ärgste Gefahr vorüber!

 

Derweil strömten Schmelzwasser und Treibeis haffwärts.

 

Hans Mikoleit sprach nichts, als er zur Anna in die warme Stube trat. Sein Gesicht war gerötet, die Haare hingen ihm in Strähnen unter der Pelzmütze hervor, die Kleider klebten ihm nass bis zur Brust hinauf am Körper. Und als ihn die Anna ansah, wusste sie, dass etwas sehr Ernstes geschehen war.

 

„Bauer", sagte sie nur. Er winkte ab:

 

„Lass mich. Du brauchst nichts Falsches zu denken! Ich habe mich mit Ensys ausgesöhnt. Er hat mir und dem Elternhof zuliebe nicht gesprengt“.

 

Erst am nächsten Tag in der Frühe erfuhr Anna, dass Ensys nicht mehr nach Hause gekommen sei. Zur gleichen Stunde wurde Hans Mikoleit abgeholt.

 

Vor dem Gericht sagte der Bauer aus, dass es zwischen ihm und seinem Bruder manches böse Wort auf dem Eis gegeben habe, bis sich der Jüngere in letzter Minute dann doch dazu entschlossen habe, mit der Sprengung so lange zu warten, bis weiter stromabwärts der Fluss geräumt wäre. Er wollte gerade die Zündschnur aus der Ladung reißen, als das Eis, auf dem er stand, zu krachen begann. Der Bruder wollte ihm zu Hilfe kommen, aber seine eigene Scholle hatte sich vom Ganzen gelöst und schnell Raum gewonnen. Einen Moment später schob sich das Treibeis schon über Ensys zusammen.

 

So schilderte Hans Mikoleit den Vorgang seinen Richtern, die ihm Glauben schenken mussten, denn der Strom, der Eisgang und die Dämmerung gaben nichts preis. Und Mikoleit sagte dann noch, dass er mit den Sprengladungen seines Bruders die Eisverlegungen stromab beseitigt hätte, und alle, die etwas von der Sache verstanden, erklärten, dass er richtig gehandelt habe.

 

Über die letzten Minuten seines Bruders Ensys hat er sonst kein Wort mehr gesprochen. Es war wohl zu viel für ihn gewesen, den Bruder wiederzufinden und ihn sogleich an den Strom zu verlieren. Vielleicht hat die Anna manches mehr darüber gewusst, sie war ja der Mensch, der ihm am nächsten stand. Aber die Anna ist während der großen Flucht auf dem Frischen Haff ertrunken. —

 

Als viele Jahre nach dem Kriege ein verträumtes Städtchen an der Donau wieder einmal vom Hochwasser bedroht wurde, war unter den Rührigsten einer, der sogleich das Richtige zu tun wusste, der überall mit Hand anlegte, wo es zu helfen und zu lindern galt. Man hätte denken können, er wäre an der Donau groß geworden, so sicher gab er seine Anweisungen, so gut kannte er die Tücken des Flusses. Dabei war er ein Fremder für die Einheimischen, die sich über den Alten wunderten, der doch, von weither aus dem Osten gekommen war. Sie wussten von ihm nicht viel. Hans Mikoleit aber lächelte, wenn er ihr Staunen bemerkte; er freute sich im Stillen, dass er den Menschen in seiner neuen Heimat ein wenig behilflich sein konnte, so alt er auch geworden war.

 

Und ganz nebenbei erinnerte ihn auch bei Hochwasser und Eisgang die Donau an seinen heimatlichen Memelstrom und an jenen Schaktarp, der einer der schwersten seines Lebens gewesen war.

 

 

Seite 11   Gerdauen ist schöner.

Da kam ein kleines blondes Mädchen von weither in unsere Stadt. Es hieß Marie und war aus Gerdauen.

 

Da Marie aus solcher Ferne kam, war sie sogleich der Gegenstand unserer besonderen Teilnahme, und wir zogen sie alsbald in unseren Kreis. Wer von uns kannte Gerdauen! Keiner hatte jemals auch nur den Namen gehört. In unserem Schulatlas suchten wir den Ort vergeblich. Aber wir hatten eine schöne große Landkarte „von der preußischen Monarchie", sie stammte aus dem Jahre 1858 und hing an der Wand, und wir betrachteten sie gern in Abwesenheit des Lehrers aus der Nähe. Da fanden wir nach langem Suchen den Namen Gerdauen. Herr Gott, wie war das weit. Wir mussten uns auf die Zehenspitzen stellen, wenn wir den kleinen Namen lesen wollten, und drückten dann die Spitze des Zeigefingers darauf: hier ist Gerdauen! Da wurde die Stelle bald etwas dunkel, und wir konnten sie von unseren Plätzen aus erkennen. Da, wo der dunkle Fleck auf der rosafarbenen Landkarte war, da lag Gerdauen, Mariens Heimat, das ferne berühmte Gerdauen.

 

Was für eine wunderbare Stadt war doch Gerdauen! Wenn Marie davon erzählte, dann glänzten ihre Augen. Es gab dort unglaublich viel Hühner und Gänse, Schafe und Schweine, Kühe und Pferde. Jeder Mensch besaß dort solchen Reichtum. Und dann war da ein See, so gewaltig groß und schön, dass man es sich gar nicht vorstellen konnte, und Fische waren darin — das war überhaupt nicht zu beschreiben. Wie klein und armselig war dagegen unsere Stadt. Aber es war doch unsere Stadt, auf die wir stolz sein wollten. Sie war alt, das ließ sich nicht leugnen, und sie hatte lauter krumme Straßen. So ganz unter uns schämten wir uns dessen ein bisschen. Aber vor Fremden lobten und priesen wir unsere Stadt und ließen nichts auf sie kommen. Da strichen wir ihre Schönheiten heraus. Da war unsere Kirche: die lag in stolzer Höhe, und zu ihr hinauf führte eine breite Steintreppe mit einem festen Holzgeländer, und auf diesem Geländer konnten wir vom Kirchhofe bis zum Markt hinunterrutschen. Es sollte erst einmal eine zweite Stadt kommen, die dergleichen aufzuweisen! Dann gab es einen geheimen unterirdischen Gang, der führte vom Schloss unter der Stadt hindurch zum Regenstein und noch weiter bis zur alten Heimburg. Kein Mensch hatte diesen Gang jemals gesehen, und darum konnte man die schönsten, graulichsten Geschichten von ihm erzählen. Das und noch viele andere Schönheiten priesen wir vor Marie, und sie hörte es mit Teilnahme an. Aber nachher sagte sie immer: Gerdauen ist schöner!

 

Das machte uns zufrieden, fast ein bisschen traurig und verbittert, und wir glaubten es unserer Heimat schuldig zu sein, Gerdauen zu besiegen. Wir müssen mit Marien in die Umgegend gehen! sagten wir. Die hohen Berge, die großen Wälder, die Felsen, die so schauerlich tief abstürzten, das alles müsste sie sehen, und wenn sie das gesehen hätte, dann würde sie nicht mehr sagen: Gerdauen ist schöner!

 

Und nun zogen wir an jedem Sonntage, wenn Gott die Sonne scheinen ließ, mit Marie hinaus. Wir erkletterten die Teufelsmauer, diese lange, wilde Felsenreihe, von deren Grat man zu beiden Seiten das herrlichste Land sehen kann. O ja! Marie war sehr erfreut und ließ es an Bewunderung nicht fehlen. Aber als wir auf dem Heimwege waren, da strich sie die blonden Haare aus dem erhitzten Gesicht und sagte: Es war ganz schön. Aber Gerdauen ist schöner!

 

Da gingen wir mit ihr zum Regenstein. Es ist da Unerhörtes zu sehen. Da ist eine Burg. Nicht etwa so eine gewöhnliche gemauerte Burg, wie man sie allenthalben sieht. Nein, eine Burg, die ganz in den schieren Felsen hineingehauen ist. Diese Burg ist ein Wunder, und es gibt nicht ihresgleichen. Marie sah sie mit staunenden Augen. Marie, musste auch in das dunkle Burgverlies, das eng wie ein Brunnen haustief in den Felsen eingegraben ist, und sie musste im Scheine der hinabgelassenen Laterne die Schädel und Beinknochen da unten auf dem Boden sehen. Und nachher saßen wir auf einer bemoosten Mauer und ließen die Beine über die Tiefe schaukeln und sahen in die Ferne, bis zu den Domtürmen von Halberstadt. Und gerade da nahm Marie das Wort und sagte: O, es ist sehr

schön, ganz mächtig schön. Aber Gerdauen ist doch schöner.

 

Es war furchtbar. Wir machten noch ein paar schwächliche Versuche, Marie umzustimmen, und gingen nach anderen schönen Plätzen, nach der alten Heimburg, nach dem Kloster Michaelstein und der Mönchenmühle, nach dem Bielstein — aber es war immer dasselbe: Gerdauen war schöner. Da hatten wir eigentlich alle Hoffnung verloren und gaben uns keine Mühe mehr.

 

Aber dann meinte jemand, wir müssten einmal mit Marie nach dem Bodetal und der Roßtrappe gehen. Ja Ja! Dann allerdings musste Marie besiegt sein. Daran war ja gar nicht zu zweifeln! Denn die Roßtrappe und der Hexentanzplatz und das Bodetal und überhaupt alles dort, das war das Allerschönste — dagegen konnte freilich nichts anderes aufkommen. Und so gingen wir denn eines Sonntags und gingen recht früh, denn der Weg war weit.

 

Es war ein schöner Sonntag. Der Wald hatte das erste gelbe Laub, und die Sonne schien, und die Luft war sehr klar. Auch waren wir frohen Muts und sangen unsere Lieder. Manchmal ruhten wir im weichen Moose unter den alten Bäumen und brachen unser Brot. Endlich waren wir dann am Ziel: doch stürzten wir nicht sogleich auf den Platz und an das Geländer, sondern verhielten eine kurze Weile, klopften auch erst den Staub von den Kleidern und putzten die Nasen, und die Mädchen zupften wieder zurecht, was etwa an ihren Haarbändern in Unordnung geraten war. Dann aber gingen wir an die Stelle, wo der Blick, eben noch an die grüne Dämmerung des Waldes gewöhnt, auf das sonnenübergossene Land und auf die schimmernden Hänge der gewaltigen Talöffnung fällt.

 

O, diese Pracht! Da ist das weite Land in seiner Fruchtbarkeit. Da liegen diese Städte und Dörfer mit ihren roten Dächern und weißen Kirchen, und alte Bäume stehen um sie herum. Und da zieht der Fluss — immer weiter, endlos weit, bis er in der letzten Ferne wie ein Silberfaden glitzert und zuallererst im feinen bläulichen Fernedunst verschwindet. Und zur Rechten — da ist der Hexentanzplatz mit seinen schroffen Felsen — hoch, unendlich hoch, und dann der mächtige Wall des Gebirges in seiner bunten Laubpracht, und hier und da ein weißer Birkenbaum mitten in des grüngoldenen Meer.

 

Aber es handelt sich um Marie. Ja, da stand sie nun im seligen Staunen, und die Hände hatten sich auf der Brust zusammengefunden. Sie blickte verwirrt lächelnd zu uns und sagte: Oh, wie ist das schön, wie schön, wie wunderschön!

 

Da jubelte es wohl bei uns allen, jetzt ist sie besiegt! Jetzt wird sie es nicht wagen, um zu erzählen, dass Gerdauen doch schöner sei!

 

Doch siehe da: ihre Augen füllten sich mit Tränen bis zum Überlaufen, und ganz traurig sagte sie mit tiefem Seufzer: Ach! Gerdauen ist doch schöner!

 

Viele Jahre vergingen, ehe ich Gerdauen sah. Auf einer Fahrt durch Ostpreußen während des Krieges trat ein Soldat in den Wagen und sagte, wir seien eben in Gerdauen. Da fiel mir ein, welche Bedeutung dieser Ort einst für uns gehabt hatte, ich dachte an Marie und ging hinaus in den Gang, um zu sehen, was von Gerdauen zu sehen war.

 

Ich werde nie etwas gegen Gerdauen sagen. Wohl sah ich keine weiße Kirche auf hohem Berge, sondern nur einen roten Turm auf ganz ebenem Lande, und statt der Wälder sah ich nur die kahlen Kronen einiger Bäume; auch sah ich keine altersgraue Stadtmauer mit efeubewachsenen Wehrtürmen und hohen Dächern dahinter, sondern nur eine Zeile niedriger Häuser. Aber ich sage nichts gegen Gerdauen. Denn auch dort wohnen Menschen, die dort geboren und aufgewachsen sind und sich im Herzen mit diesem Boden und allem, was er trägt, verbunden fühlen. Sie lieben ihre Heimat und können nicht anders, und das ist gut. Ihnen allen mag es so gehen wie der kleinen blonden Marie: man kann ihnen alle Schönheit der Fremde zeigen, dass ihre Augen trunken darob werden, so wird ihr Herz doch immer wieder sprechen: Gerdauen ist schöner!

 

Mit freundlicher Erlaubnis des Friedrich Winnig Verlages, Hamburg, aus August Winnig „Die ewig grünende Tanne".

 

 

Seite 11   Meine Stadt. Von Tamara Ehlert.

Es liegt meine Stadt im Winterwind

Verloren am dunklen Fluss.

Sie gleicht einem heimatlosen Kind,

Das ohne Mantel im Winterwind

Am Erdboden schlafen muss.

 

Es spiegelt sich dort ein grüner Mond

Im schwarzen Wasser und weint,

Weil niemand mehr in den Häusern wohnt,

Die dieser geisterhaft grüne Mond

In langen Nächten bescheint.

 

Die Brücken warten zur Abendzeit

Auf Schiffe vom weiten Meer,

Doch kommen in fahler Dunkelheit,

Vom Wind gesteuert, zur Abendzeit

Nur Wolkenschiffe daher.

 

So hebt meine Stadt ihr Steingesicht,

Von Wolken und Wind bewacht,

Mit blinden Augen in blasse Licht

Und birgt das zerstörte Steingesicht

Erschauernd im Tuch der Nacht.

 

 

 

Seite 12   Foto: Elbing, alter Speicher. (Aus Paul Fechter „Deutschen Osten“, C. Bertelsmann-Verlag, Gütersloh)

 

 

Seite 12   Zuse  ein Königsberger Abschlusstanz. Von Dir. Dr. Wilhelm Gaerte – Hannover.

Die Königsberger tanzfrohen Frauen und Mädchen die, wie es in altem Bericht heißt, „an keinem anderen Tage als des Sonntags und des Freitags allein zu Tanz gefordert und gebeten wurden“, sowie ihre Tanzpartner mussten sich im 18. Jahrhundert das Verbot einer beliebten Tanzform gefallen lassen, die den Namen „Zuse“ führte. Es handelte sich um einen Reigen wilder Art, der, wie auch andere Tänze im 16. Jahrhundert, Formen angenommen hatte, die zum Einschreiten des „Stadtordnungsamtes“ Veranlassung gaben. Den allgemeinen Tanzsaal in Königsberg stellte damals der „Altstädtische Junkerhof“ (Jubiläumshalle in der Koggenstraße). Ihm galt die Verordnung des Jahres 1544: „Es soll der Tantz ziemlicher und gebührender Maße sonder (ohne) einerley Verdrehens, jauchzens, schreyens oder Aufhaltens gehalten werden. Der Nachtanz als Zuse über die Bänke etc. sollen ziemlicher und gebührender Maße gehalten werden“. Der Herausgeber dieser Verordnung fügt für das Jahr 1725 hinzu: „Weil viel Unwesen dabey vorgegangen, ist er endlich abgeschafft“. 1757 wird diese Nachricht über die Nachtänze in den „Höfen“ Königsbergs ergänzt: „Von dem Zuse ist ein Überbleibsel bey uns an dem Großvätertanz zu erkennen, der diesen Namen von dem Anfang eines lustigen Liedes führt – Als der Großvater etc. Mit diesem werden noch zuweilen die Hochzeitstänze beschlossen, und es ist nicht zu leugnen, dass man sich dabey manchmal wilde genug herum tummelt" (Bock, Idioticon Prussecum, 1757, unter „Zuse"). Wenn man auch gegen das „öffentliche wilde Springen, das manches Unglück verursachte" (Bock) im alten Königsberg behördlicherseits vielleicht mit einigem Erfolg eingeschritten ist, hat man den Brauch trotzdem nicht aus dem Volksleben reißen können. Als sonstiger, aber besonders als hochzeitlicher Nachtanz lebte der „Zuse" weiter bis in die neueste Zeit.

 

Zur lautlichen Bestimmung des Wortes bieten sich das hochdeutsche „Zausen" an, das mit niederdeutschem tosen = reißen, zerren, althochdeutschem zir-zuson-zerzausen, zusel = Gestrüpp, Haarlocke stammverwandt ist. Man könnte daher „Zuse" mit „Reißer" wiedergeben, was eine treffende Bezeichnung für einen Tanz ist, bei dem einer den andern mit sich riss. Die ausgelassene  Fröhlichkeit jedes Tanzvergnügens vornehmlich bei Hochzeiten, kam im Nachtanz zuletzt noch einmal zum drastischen Durchbruch: Heisa, lasst uns lustig sein, heute haben wir Hochzeit, morgen gehen wir mit Kaddik" (= mit dem Kehrbesen), sang man in Ostpreußen im 18. Jahrhundert.

 

Solche Abschlusstänze wilder Art sind in Europa bei Tanzvergnügungen allgemein üblich gewesen, vorzugsweise bei Hochzeitsfeiern. In Schleswig-Holstein „bildete den Schluss der Hochzeitstänze ‚de lange Danz', eine Art Polonaise, die durch das ganze Haus, durch Ställe und Scheunen, durch Türen und Fenster führte, wobei mit Topfdeckeln, Schaufeln, Feuerzangen ein gewaltiger Lärm gemacht wurde". Oft ging der Reigen von einem Haus zum anderen oder gar über Feld und Flur. An diesem „Kehraus" beteiligten sich alle Hochzeitsgäste. In Mecklenburg wird des Morgens der Großvatertanz durch das Fenster etc. gemacht. In Westfalen herrschte derselbe Tanztrubel, wie aus dem Jahre 1754 berichtet wird: „Alle Gäste fassen die Enden eines Tuches an, so dass zwei und zwei ein Tuch zwischen sich haben ... So tanzen sie erst das Feuer aus, darauf durch Stuben und Kammern, durch Ställe und Gärten und dann im ganzen Dorf herum ... Haben sie sich auf diese Art bis zum Umfallen ermüdet, so ist die Hochzeit aus, und jeder wandert seine Straße“. Im Südosten der Provinz Ostpreußen wurde im 19. Jahrhundert ein ähnlicher Brauch geübt. Nach der Hochzeit zog die Gesellschaft bei den einzelnen Gästen herum und ließ sich von jedem einzelnen bewirten. Dabei fassten sich die jungen Leute und Mädchen einander an die Hände und sprangen über die Straße.

 

Höchstwahrscheinlich hat diese Abschlusstanzform Beziehungen zu den öffentlichen ungestümen Tänzen, die in der Fastnachtszeit stattfanden. Eine Übernahme jener Lärmumzüge scheint vorzuliegen. Das Tanzen über Bänke (= Tische) hinweg, das Durchkriechen durch Fenster, die Führung „durch beschwerliche Gegenden" (Westfalen) entspricht der Tollheit, die dem Fastnachtstreiben noch heute eigen ist, wo die Menschen jedes Geschlechts und ohne Rücksicht auf Stand und Beruf Hand In Hand in langem Reihentanze am „rasenden Montag" (= Rosenmontag) ihrer Lust freien Lauf lassen. So stellt sich die Nachtanzform als ein Gewächs dar, dessen Ranken sich mit dem Volksbrauch verschlingen, dessen Wurzeln aber tief ins religiös-kultische Volksleben hinabreichen; denn dem Fastnachtstreiben lagen ursprünglich religiös-magische Vorstellungen zugrunde.

 

 

Seite 12   Kulturelle Nachrichten

Bundesverdienstkreuz für Erwin Kroll

Der aus Ostpreußen gebürtige Senior der Westberliner Musikkritiker, Erwin Kroll, hat aus Anlass seines 70. Geburtstages das Bundesverdienstkreuz erhalten.

 

Der frühere Feuilleton-Redakteur der Königsberger Hartungschen Zeitung ist am 3. Februar 1886 in Deutsch-Eylau geboren. Er studierte an der Universität Königsberg erst Philologie, später Philosophie und Kunstgeschichte. Im musikalischen München Hans Pfitzner und Studienrat Bruno Walters Korrepetitor an der Staatsoper. 1933 musste er die Redaktionsstube in Königsberg räumen und siedelte nach Berlin über. Nach dem Zusammenbruch Musikkritiker erst der amerikanischen „Allgemeinen Zeitung", dann des amerikanisch lizenzierten parteifreien „Tagesspiegels" und schließlich des „Tag", des britisch lizenzierten Sprachrohrs von Jakob Kaiser. Gleichzeitig Leiter der Musikabteilunq des NWDR Berlin.

 

 

Fritz Kudnig las in Berlin

Der Dichterabend Ende Januar im „Haus der ostdeutschen Heimat" war dem Werk ostpreußischer Dichter gewidmet. Im ersten Teil wurde Arno Holz gedacht. Dr. Kleitsch gab eine kurze Einführung in das Werk des Dichters und las Proben aus „Phantasus", „Blechschmiede" und „Daphnis".

 

Im zweiten Teil des Abends las Fritz Kudnig aus seinen Werken. In wunderbar zarte Verse kleidet er seine Liebe zur ostpreußischen Heimat: das einsame Fischerhaus, die ragende Kiefer am Meer, Dünen, See und Wälder leben darin und sind im Lied ihren Menschen unverlierbarer Besitz geworden.

 

 

Alexander Kolde 70 Jahre

Der jahrzehntelang in Ostpreußen, vor allem in Königsberg wirkende Maler Alexander Kolde begeht am 2. März 1956 in Flensburg seinen 70. Geburtstag.

 

Seine Bilder, die nach dem ersten Weltkrieg in verschiedenen Ausstellungen in Königsberg auftauchten, brachten eine frische, neuartige Note in das bisherige Bild der ostpreußischen Kunst. Neben Stillleben und Porträts waren es vor allem Tierbilder, mit denen er auf sich aufmerksam machte, bevorzugt Pferdemotive. Hier distanzierte sich Koldes Darstellungsweise besonders augenfällig von der gewohnten Auffassung („Pferde unter blühenden Rosskastanien", „Pferde vom Blitz getroffen", „Scheuende Pferde", „Traum des Pferdes", „Rosinante" u. a.).

 

Aber auch religiöse, geschichtliche und ostpreußische Landschaftsmotive finden ihren Niederschlag im reichen Schaffen Koldes, letzteren begegnen wir besonders zahlreich in seinem Spätwerk. Mit Bildern aus diesem Themenkreis trat er auch jetzt wieder in verschiedenen Ausstellungen an die Öffentlichkeit („Spielende Kinder am Ostseestrand", Landschaften der Samlandküste und der Kurischen Nehrung, „Die St. Georgskirche in Rastenburg", masurische Landschaften wie „Nordlicht über dem Spirdingsee" u. a. m.).

 

 

„Himmel ohne Sterne" nach Cannes

Das Auswärtige Amt hat auf Vorschlag des Paritätischen Auswahlausschusses den Film „Himmel ohne Sterne" (Regie Helmut Käutner, Produktion Neue Deutsche Filmgesellschaft) zur Teilnahme an den IX. Internationalen Filmfestspielen in Cannes angemeldet. Kurzfilme wurden für die Beteiligung an der genannten Veranstaltung nominiert.

 

 

Dritte Ausschreibung

Die vom Verlag C. Bertelsmann in Gütersloh vor zwei Jahren begründete Carl Bertelsmann-Stiftung zur Förderung junger Autoren wird auch 1956/1957, im dritten Jahr ihres Bestehens, 50 000 DM an zehn junge Autoren deutscher Sprache ausschütten. Die Stiftungssumme wird in Form eines Jahresstipendiums mit monatlichen Beträgen von je 400,-- DM vergeben. Die von einer Jury ausgewählten jungen Autoren sollen mit Hilfe der Stiftung für ein Jahr frei von wirtschaftlichen Sorgen ihrer schriftstellerischen Arbeit nachgehen können. Durch die Annahme des Stipendiums erwachsen dem Autor keine Verpflichtungen dem Verlag gegenüber. — Merkblätter mit den Bedingungen können beim Bertelsmann Verlag in Gütersloh angefordert werden. Einsendeschluss für Bewerbungen des dritten Stiftungsjahres ist der 31. Mai 1956

 

 

Berichtigung: Der kostbare Ring.

Zu der Veröffentlichung in der „Ostpreußen-Warte" Nr. 1, Seite 11, wird auf Antrag von Lena Scheiba, ältesten Tochter des verstorbenen Rektors Gustav Adolf Scheiba, folgende Berichtigung gebracht:

 

Der alte Ring ist nach 1905 bei Ausgrabungen in einem Gräberfeld bei Tenkessen (Samland) gefunden worden. — Mein Vater war nicht Schulrat, sondern Rektor an der Stadtschule in Fischhausen, er hat auch nicht den Titel „Doktor" gehabt. Außerdem gibt es in meiner elterlichen Familie keinen Archäologen Dr. Scheiba.

 

Meine verstorbene Schwester Frieda Scheiba war keine Russland-Heimkehrerin.

 

 

Seite 13   Aus alten und neuen Büchern

Foto: Wohl die umfangreichste Sammlung von Sagen, die wir über Ost- und Westpreußen besitzen und auf die sich fast alle neueren Sammlungen stützen, ist die von W. J. A. von Tettau und J. D. H. Temme, unter dem Titel „Die Volkssagen Ostpreußens, Litauens und Westpreußens" 1837 in der Nicolaischen Buchhandlung, Berlin, herausgegeben. Sie vereinigt an die 300 Sagen sowie im Anhang eine Obersicht über „abergläubische Meinungen und Gebräuche verschiedener Art". Wir erzählen hieraus heute unseren Lesern die Sage von „Heiligenlinde', unter Beibehaltung der alten Schreibweise.

 

Heiligenlinde

Die heilige Linde, welche nahe bei der Stadt Rastenburg steht, ist schon lange als Kapelle und Wallfahrtsort berühmt gewesen. Zur Zeit der Heiden stand daselbst eine übergroße Linde, unter welcher viele Götter verehret wurden. Besonders hatten unter derselben in der Erde kleine unterirdische Männlein, Barstukken geheißen, ihre Wohnung; dieselben erschienen den Kranken, sonderlich zur Nachtzeit bei hellem Mondenschein, und hegten und pflegten sie; auch trugen sie dem, welchem sie gut waren, Korn zu aus den Scheunen und Speichern anderer Leute, die sich undankbar gegen sie bewiesen hatten. Ihren Freunden waren diese Barstukken getreue Hausmännlein, und pflegten sie allerhand Arbeit für sie zu verrichten. Es wurde ihnen, um sie zu verehren, des Abends ein Tisch gesetzt, den bedeckte man mit einem sauberen Tischtuch, setzte darauf Brot, Käse, Butter und Bier, und bat sie zur Mahlzeit. War nun am anderen Morgen auf dem Tische nichts mehr gefunden, dann war dieses ein gutes Zeichen; war aber im Gegentheil die Speise über Nacht unberührt geblieben, so war das ein Zeichen, dass die Götter von dem Hause des Opfernden gewichen seien.

 

Späterhin ist Heiligenlinde ein christlicher Wallfahrtsort geworden und es wird dort die Mutter Gottes verehret. Dieses hat seinen Ursprung auf folgende Weise: Vor vielen hundert Jahren war zu Rastenburg ein Uebelthäter ins Gefängnis gesetzt, der den Tod verwirkt hatte. Am Tage vorher, da ihm sein Recht geschehen sollte, ist ihm im Gefängnis die heilige Jungfrau Maria erschienen und hat ihn mit tröstlichen Worten angeredet, ihm auch ein Stück Holz und ein Messer gegeben, mit dem Befehle, auf dem Holze zu schnitzeln, was er wolle. Dieses hat er gethan. Wie nun der Morgen herankommt und der arme Sünder vor das Gericht gestellt wird, da zeigt er das Stücklein Holz vor, an dem er in der Nacht geschnitzelt. Und siehe, auf demselben zeigt sich ein wunderbar schönes und künstliches Marienbild, in dem Arme das Kindlein Jesus haltend. Als man dieses sähe und der Missethäter dabei erzählte, wie ihm die heilige Jungfrau erschienen, da erkannte man das Wunderwerk, und das Rastenburgische Gericht ließ den armen Sünder los.

 

Darauf ging nun dieser, wie ihm gleichfalls die heilige Jungfrau befohlen, von Rastenburg gen Rössel, um das Bild auf die erste Linde zu setzen, die er auf seinem Wege antreffen würde. Er ist also gegangen 4 Tage in der Irre und hat eine Linde gesucht, bis er endlich unweit Rössel Eine gefunden; auf diese setzte er sein Bildchen, welches fortan große Wunderwerke gethan. Es blieb nämlich von Stund' an die Linde grün, so im Winter wie im Sommer. Es geschähe auch, daß bald darauf ein stockblinder Mann vorbeireisete; als dieser an die Linde kam, sähe er plötzlich ein hellglänzendes Licht; nach demselben faßte er mit den Händen; das Licht aber kam von dem Bilde, und sowie er das letztere berührt hatte, wurde er sehend. Darauf wurde das Bild von vielen Leuten verehret; selbst das Vieh, wenn es unter dem Baume hergetrieben wurde, hat vor ihm die Knie gebogen. Als solches die Rastenburger hörten, gingen sie in großer Procession an den Ort, nahmen das Bild von seinem Orte und brachten es in die Stadt. Allein in der Nacht war das Bild aus der Stadt verschwunden und hatte sich von selbst wieder zu der Linde begeben. Alsbald sind die Rastenburger mit einer größeren Procession nochmals hingegangen und haben das Bild geholt und in die Stadtkirche gesetzt. Aber am andern Morgen war es wiederum verschwunden und zu seinem alten Orte zurückgekehrt. Da hat man es nicht wiedergeholt, sondern an dem Platze eine Kapelle gebaut. Noch jetzt geschehen viele Wunder an der Heiligenlinde, und es ist merkwürdig, daß alle Bäume in derselben Gegend ihre Wipfel nach der Kapelle zu neigen, als wenn selbst die Pflanzen ihre Verehrung für den heiligen Platz zu erkennen geben wollten.

 

Foto: „Wie der Berg der Gralsburg, ‚unnahbar unsren Schritten', ist der deutsche Osten heute ein heiliges Land geworden", sagt Paul Fechter zu Beginn seiner Erinnerungen, die er unter dem Titel „Zwischen Haff und Weichsel" herausgegeben hat (C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh, 376 S., Ganzl. DM 11,--). Der aus Elbing stammende, namhafte Literaturhistoriker und Schriftsteller erzählt hier die Geschichte seiner glücklichen Jugend und legt damit eine neue, bisher nur wenig bekannte Seite seines umfangreichen Schaffens bloß, die ihn als unterhaltsamen Erzähler zeigt, der es versteht, um die Erlebnisse der Jugend ein leuchtendes Panorama seiner Heimat erstehen zu lassen, das nicht allein seine persönlichen Erinnerungen umkränzt, sondern darüber hinaus den Menschen jenes Landes als goldener Rahmen ihrer eigenen Jugend- und Kindheitserinnerungen dienen will. Diese Absicht hat Fechter ganz bewusst in seinem Erinnerungswerk verfolgt.

 

 

Seite 13   Dem Haff verfallen / Von Paul Fechter

Die Stadt Elbing liegt am Ostrande des Weichseltals, wenn man so sagen darf, am Fuß der Höhen, die im Osten das weite Delta von Weichsel und Nogat ebenso begrenzen wie im Westen die Höhen von Danzig. Diese Höhen beginnen unmittelbar am Rande der Stadt, ziehen sich nordwärts bis zum Haff, im Süden bis zur Ebene des Drausensees hin, erheben sich bis zu 300 Meter über den Spiegel der Ostsee, so dass in den Ernten oben und unten im Tal sich ein Zeitunterschied bis zu drei Wochen ergibt. Wälder und Seen, Schluchten, Dörfer und Gutshöfe, weit schwingendes, wechselndes Land, das ist die Elbinger Höhe, die ein Eiszeitgletscher in Jahrhunderten hier abgelagert und hinterlassen hat — und diese Welt voll Einsamkeit und Größe begannen wir drei Jungens jetzt für uns zu entdecken. Das war damals noch nicht ganz so leicht wie später. Es gab keine elektrische Bahn nach Vogelsang, es gab keine Haffuferbahn: wer die Rehberge und Cadinnen, Rakau und Wiek sehen wollte, musste laufen. Und zwar hin und zurück — und das war manchmal ein ganz ordentliches Stück Weges.

 

Wir haben uns dies Hügelland mit seinen unvergesslichen Herrlichkeiten von zwei Seiten her erobert. Wir begannen im Süden, und als wir Mut bekommen hatten, zogen wir in den Norden, um von dort nicht mehr loszukommen. Zuerst gingen wir durch Dambitzen hinauf zum Seeteich und weiter in die Grünauer Wüsten, die für uns sehr bald Inbegriff des Waldes überhaupt wurden. Es gab dort keine Wege und keine Wegweiser, keine Menschen und keine Gutshäuser: es gab wunderbare, alte, hohe Buchenbestände und einsame Täler nach dem Drausensee zu, von deren oberem Ende am Wald man die herrlichsten Aussichten auf Marienburg zu — und sogar bis Dirschau hin hatte. Es gab Waldwiesen, die nie ein Fuß betrat und über denen, wenn sie blühten, eine Schmetterlingsflut tanzte, wie wir sie nie geglaubt hätten. Pfauenaugen und Admirale, große und kleine Füchse, Zitronenfalter und Trauermäntel, Schwalbenschwänze und unzählige andere, ein Wogen flatternder Farben, das uns berauschte und beglückte, obwohl wir alle das Sammeln nach einem kurzen Versuch wieder aufgegeben hatten. Vater hatte zwei Kästen voll von selbstgesammelten Faltern in seinem Arbeitszimmer an der Wand hängen: das genügte. So sauber wie er konnten wir das Aufspannen doch nie, und es war hässlich, wenn die schönen Tiere nachher lädiert und des Flügelstaubes beraubt in den Spannbrettern lagen. Wir hielten uns an die Pflanzen, hatten jeder ein Herbarium, fanden in unserm geliebten Wald eine Menge seltener Knabenkräuter und ähnlicher Herrlichkeiten und hatten daran mehr Vergnügen als an den Schmetterlingen, die man erst töten musste.

 

Von den Grünauer Wüsten aus zogen wir weiter hinüber nach Serpien, in dessen Krug wir gern einkehrten, weil es dort für ein Dittchen ein Glas dünnes Braunbier mit Zucker gab. Am meisten aber lockte uns drüben vom Rand der Höhe der schwere, alte Kirchturm von Preußisch-Mark. Und eines schönen Tages ließen wir den Wald, gingen direkt nach Serpien und hinüber durch die Schlucht nach dem alten Preußendorf, in dem es nie einen Locator des Ordens gegeben hatte und daher nur Nachkommen echter alter Preußen — und in dem überdies ein Mitschüler, Erasmus, der Sohn des Pfarrers von Preußisch-Mark, zu Hause war. Wir zogen in die Kirche, entdeckten ungeahnte Schätze und Winkel und kletterten schließlich auf den Kirchturm. Und das gehörte zum Schönsten, was wir bis dahin erlebt hatten, und weckte Lust und Sehnsucht nach neuen Taten und neuen Fahrten. Endlos weit im Nachmittagssonnenglanz lag unten die Ebene des Drausens, rechts das Werder und jenseits die Höhen auf Christburg und Marienwerder zu; endlos zog sich das hügelige Land nach Osten hin, mit Wäldern und Dörfern und neuen Geheimnissen. Eine kleine Stadt thronte fern drüben auf ihren Hügel: Preußisch-Holland, wie uns unsere Karte verriet, die Vater uns großmütig aus seinem Bestand an Generalstabskarten überlassen hatte; neue Höhen verdämmerten hinter ihr in unbekannten Fernen: was mochte es dort noch alles zu sehen geben! Wir hockten an den Turmluken und starrten hinüber: die Kirche von Preußisch-Mark hat zusammen mit dem Wald von Grünauer Wüsten ein gutes Teil unseres unmittelbaren Naturgefühls lebendig gemacht. Das war das eine Ziel unsrer Sehnsucht: das andere war noch weiter, noch ferner, noch lockender — das Haff. Wir haben uns erst nicht hinausgetraut: zwei Stunden etwa dauerte allein der Hinweg bis zum Beginn des Haffs. Vom Rondell des Thumbergs mit dem Kranz seiner Bäume, die längst nicht mehr stehen, dem Abbau des Berges für die Ziegelei zum Opfer gefallen sind, sah man ein Stück vom Westwinkel und den Ansatz der Nehrung herüberwinken: das zog und lockte immer wieder, und schließlich riskierten wir es. Überdies hatte Vater, der ein leidenschaftlicher Liebhaber von Standuhren war und ein paar schöne, alte Exemplare, darunter eine englische, besaß, vor kurzem eine neue erworben — aus Wogenaib. Wogenab war eine Ziegelei und ein Gut am Haff; der Name hatte etwas wunderlich die Phantasie Anrührendes, und so kamen auch von daher neue Zugkräfte. Eines Sonnabends, gleich nach dem Mittagessen, also bald nach eins, zogen wir los, am Fuß der Höhen, das Elbingtal entlang: so mussten wir am schnellsten hinkommen. Zur Linken grüßte aus der verachteten Niederung der Kirchturm von Zeyer; in einiger Entfernung zog sich, kenntlich an gelegentlich braunen und grauen Segeln, nachher auch durch den blauen Rumpf des Dampfers „Kahlberg", der hoch über das flache Wiesenland aufragte, der Elbing hin. Der Landweg, den wir gingen, war kaum befahren: wir wanderten den Fußpfad an seinem Rande entlang und reckten die Hälse, ob nicht bald das Haff zu sehen sein würde. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis das feste Land zur Linken begann, hier und da Schilfrohr und kleine Binsenbrüche zu tragen. Erst kam noch drüben am Elbingufer der Bollwerkskrug mit seinen sieben Giebeln, kam auf der anderen Flussseite Terranova, wo der Vater vom Geschonke, einem Mitschüler, Hafenwärter war, der Sohn erhielt natürlich sofort den geographischen Spitznamen Terra. Aber wir hielten durch, und schließlich tauchte die erste Ziegelei auf, das Land zur Linken löste sich in hellblinkende Wasserlachen — der Ostwinkel und mit ihm das Haff war erreicht. Wir hatten es geschafft und mussten uns nun entscheiden, wohin wir wollten, hinab ans Wasser oder hinauf auf die Höhen, zur Aussicht.

 

Wir haben schließlich beides mitgenommen. Wir sind zuerst durch die Ziegeleien hindurchgezogen, bis wir ans offene Wasser kamen, in dem die schweren, schwarzen Kähne lagen: vor uns breitete sich endlos, gelblich im hellen Nachmittagslicht das Haff, mit leichten Wellen im frischen Wind ans Ufer klatschend. Schmal, fern winkte drüben der dunkle, nachher gelbe Streifen der Nehrung — zur Rechten aber gingen Himmel und Wasser in eines, war kein Ende, waren keine Grenzen abzusehen.

 

Wir haben uns nur schwer von dem Bilde getrennt; wir versprachen uns aber noch Größeres und Schöneres von der Aussicht oben. Und wir hatten uns nicht getäuscht: der Blick von der Höhe von Wogenab, das wir glücklich fanden, auf die endlose Einsamkeit der riesigen Wasserfläche, die Stille rings über dem Wiesenhang mit dem wogenden, blühenden, rötlichen Gras, den fernen Rufen der Schwalben und dem kaum hörbaren Rauschen des Windes über dem baumlosen Hügel hatte etwas von einem Sommertraum, der selbst an unsere noch schlafenden Seelen rührte. Wir saßen eine Weile stumm und vertilgten die Reste unsrer mitgebrachten Butterbrote; dann pflückten wir uns jeder einen Strauß der zierlichen, rötlichen Grasblüten — und zuletzt brachen wir wieder auf zur Heimkehr: es lag noch ein kräftiges Stück Weg bis zur Stadt vor uns. Er ist uns nicht leicht gefallen, und es war ziemlich spät, und über Mutters Haupt waren bereits Schatten der Sorge gegangen. Walter, der diesmal der erste zu Hause war, wurde ehrlich beneidet, und Hans Steinhardt, der den weitesten Weg hatte, bedauert. Wir waren aber trotzdem nicht nur stolz auf unsern Marsch: wir beschlossen, ihn bald zu wiederholen und zu erweitern. Wir waren dem Haff verfallen und sind von seinem Zauber seitdem nicht wieder losgekommen. Ich bekenne, dass es Momente gegeben hat, in denen ich ehrlich versuchte festzustellen, ob die abendlichen Reize der Landschaft über dem Haff nicht gut und gern den Wettbewerb mit dem Bodensee aufnehmen könnten.

 

 

Buchbesprechungen

August Winnig: Die ewig grünende Tanne, Erzählungen, Friedrich Wittig Verlag, Hamburg, 176 S., Ganzl. DM 5,80.

August Winnig, den Ost- und Westpreußen kein Unbekannter, legt hier zwölf Erzählungen vor, die man getrost zum Besten zeitgenössischer Prosa zählen darf. Er erzählt in ihnen von seiner Heimat, dem Herz, in einer natürlichen, schlichten, und vielleicht gerade deshalb so eindringlichen Weise, der man sich nicht verschließen kann. In der Erzählung „Gerdauen ist schöner" gibt er ein herrliches Zeugnis der Heimatliebe.

 

 

Prof. Dr. Edward Carstenn: Elbing, die Hanse und Westfalen, Bd. 17 der „Elbinger Heften", West-Verlag GmbH, Essen, 72 S., brosch. DM 3,90.

Der Verfasser hat die Ergebnisse jahrelanger Forschungen zusammengefasst, um unter ganz neuen Gesichtspunkten Elbing und die beiden anderen deutschen Weichselstädte Kulm und Thorn so in den Vordergrund zu rücken, wie sie es ihrer Bedeutung nach verdienen. Der Anteil führender westfälischer Geschlechter an der Errichtung dieser Städte und am Aufbau des Wohlstandes im preußischen Lande an Weichsel, Pregel und Memel wird vielfach übersehen. Dennoch steht es fest, dass westfälische Geschlechter in den erwähnten drei Städten als maßgebliche Sprecher der Fernkaufleute Preußens nachhaltigen Einfluss auf die Beschlüsse der Hanse ausgeübt haben, der sie Hand in Hand mit den süderseeischen Städten vor 600 Jahren zum Blühen verhalfen. Vom Abstieg der drei Städte gegenüber Danzig und vom Abschied von der Hanse im Tausch mit einer englischen Handelsverbindung ist gleichfalls manche bemerkenswerte Einzelheit nachzulesen. Die Namen der großen Städtepolitiker treten lebendig hervor. Zahlreiche Kartenskizzen machen die Darlegungen des Verfassers über die Ausweitung der Handelsbeziehungen weit über die Ostsee hinaus bis England, Frankreich und Spanien deutlich. Ein ausführliches Namensverzeichnis erleichtert die Benutzung der Schrift, die erneut die Aufmerksamkeit auf die große Vergangenheit heute leicht vergessener Städte lenkt.

 

 

Leopold von Ranke: Preußische Geschichte, Aus Rankes Gesamtwerk ausgewählt und bearbeitet von Prof. Dr. H. J. Schoeps, Erlangen, Eike Techow Verlag KG, Darmstadt, 622 Seiten. Leinen DM 11,50.

Zum brennenden Ost-West-Problem das aktuelle historische Quellenwerk!

 

Die Berührungsgrenzen der politischen Spannungsfelder in Europa verlaufen heute mitten durch das ehemalige Preußen. Man muss daher die Geschichte dieses Landes kennen, wenn man sich mit der Struktur, der Entstehung, der Herausbildung, dem politischen Raum und den inneren Gegebenheiten dieses Schicksalsraumes beschäftigt.

 

Über das Wesen Preußens sind viele irrige Meinungen im Umlauf. Preußen aber ist ein politisch-historisches Faktum, das heute auch nicht durch eine politische, östliche Überfremdung ausgelöscht werden kann. Preußen war nicht nur eine geographische Landschaft, sondern zugleich eine tragende politische Idee. Viele der aus der Geschichte bekannten großen Preußen sind nicht in diesem Lande geboren, wie z. B. Stein, Hardenberg, Scharnhorst, Arndt u. v. a. m. Sie haben aber in diesem liberalen Lebensraum, in dem jeder nach seiner Facon selig werden konnte, den ihnen gemäßen Wirkens- und Lebenskreis gefunden, in dem sie sich entfalten konnten.

 

Preußen ist aber auch die Mutter ihrer heutigen Nachfolgestaaten: großer Teile der Sowjetzone, Niedersachsens, Schleswig-Holsteins, Nordrhein-Westfalens, großer Teile von Rheinlang-Pfalz und von Hessen. Die Geschichte dieser Länder ist mithin ohne die Kenntnis der preußischen Geschichte nicht zu verstehen.

 

Es war daher ein glücklicher Gedanke, dass der bekannte Prof. Dr. Schoeps aus dem Gesamtwerk Rankes, d. h. aus seinen bekannten „12 Büchern Preußischer Geschichte" und seinen zahlreichen Studien und Arbeiten zur Geschichte Preußens eine geschlossene preußische Geschichte Preußens gestaltete, die zwar in dieser Form nie von Ranke geschrieben wurde, die aber doch den Vorzug hat, dass jede Zeile von Ranke stammt. Zum ersten Male ist damit ein preußisches Geschichtswerk von der Entstehung bis zur Reichsgründung, d. h. bis zur Verschmelzung der preußischen mit der deutschen Geschichte entstanden, leidenschaftslos, in dem faszinierenden Stil des Altmeisters der Historiker geschrieben und dabei überzeitlich, gültig, aus den letzten Quellen geschürft, diese fesselnde Materie aus einer souveränen Gesamtschau überblickend.

 

Eine Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands wird an der preußischen Frage nicht achtlos vorübergehen können. Preußen, als Staat aus Gesamtdeutschland heraus entstanden, kann aus der deutschen Entwicklung nicht fortgedacht werden. Für alle, die aus den vormals preußischen Gebieten stammen, wird dieses vorzügliche Werk das große historische Geschichtsbuch sein. Die Jugend mag aus ihm, da sie selbst Preußen als Wirklichkeit nicht mehr kennt, Einsichten in die Entwicklung des nordost- und norddeutschen Raumes schöpfen, für den historischen Bereich unserer deutschen Literatur aber bedeutet das Erscheinen dieses Werkes eine wertvolle und notwendige Ergänzung, die für den gelehrten Historiker wie für jeden historisch interessierten Laien wertvoll ist.

 

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (32) 

Liebe ostpreißische Landsleite! Nu sind wir endlich raus aus dem graurigen Monat Februar mit seine sibirische Kältewellen. Das waren all reine Dauerwellen, denn es riss ieberhaupt nich mehr ab mit das Hubbern. Das Termometer rutschd immer tiefer runter und wussd zuletzt gar nicht mehr, wo es hinsolld. Das war e richtige Untergrundbewegung! Und de Fenster waren ganz dick zugefroren, und durchem Schnee konndst stellenweis gar nich mehr durchkommen, und die teire Kohlen und Briketts verschwanden im Ofen wie mischt. Wir Ostpreußen sind sone Winters ja von zu Haus gewehnt, so dass einer sich ganz heimatverbunden vorkam. Aber dafier hädden unsre Heiser auch ganz andre Mauern, und ieberall waren Doppelfenster, und in jede Stub stand e große Kachelofen mit e Röhr fier Bratäpfel. Und denn hädden wir große Holzklumpen mit Stroh drin, und von inwändig wärmder wir sich mit die neetige Fusikalien. Und hier? Die Wände sind dinn, Doppelfenster giebt nich, und de Schlafstub geht nich zu heizen, weil kein Ofen drin is. Vonne Fusikalien gar nich erst zu reden, — wegen die Rentendittchens. Nei, nei, wissen Se! Wenn schon richtiger Winter, denn aber heechstens zu Haus! Nu mißssden wir uns bewickeln und bepumpeln und inne Stub Dauerlauf machen. Und wenn de Emma abends inne Bucht ging, denn zog se sich nich aus, sondern a n. Zwei paar Bixen und drei Unterröcke, zwei paar Strimpfe und dem neien Wintermantel. Und trotzdem klapperd se nachts mit ihre paar Zähne, als wenn e großer Trecker vorbeifuhr, so dass ich jedes Mal wach wurd. Und morgens waren de Betten ganz weiß befroren, und anne Spitz Nas bammeld e Eiszapfen, und keiner traud sich auße Feder raus zum Feiermachen. Nei, scheen war es nich, aber wir haben es ieberstanden, bloß de Emma hat de Ohren und ich hab de Zehen angefroren. Was meinen Se, wie das jucken wird, wenn die auftauen! Das sind aber bloß kleine Scheenheitsfehler, wo wieder vorbeigehen. De Hauptsach is, dass wir es geschafft haben und nu vergniegt aufem Friehling lauern können, wo ja in e paar Wochen kommen soll, wenn der Kalender sich nich irren tut wie die amtliche Wetterfrösche, wo all im Januar sagden, dass dies Jahr keinem Winter nich mehr giebt, weil de Engerlinge ganz oben inne Erd liegen. De Engerlinge haben ihnen anne Nas rumgefiehrt! Aber uns Flichtlinge kann ja nuscht nich umschmeißen. Deshalb kommen wir auch alle, wenn de neie Streitkräfte aufgestellt werden, bei die Marine. Weil indem dass wir nämlich nich untergehen, sondern immer oben schwimmen. Auf die Art sind wir mit die Fettaugen verwandt und verschwägert. Und iebermietig sind wir auch all wieder, wie sich bei die Künstlerausstellung ostdeitscher Maler in Hannover gezeigt hat. Mang die viele Landschaftsbilder hing auch e weiblicher Rickenakt. Was das is, werden Se ja hoffentlich wissen. Sonst kicken Se sich man Ihre Altsche an, wenn se sich sonnabends waschen tut. Jedenfalls kamen da auch zwei Bauern aus Niedersachsen rein und begroßaugden de Bilderchens. Mit eins entdeckten se dem Rickenakt und waren zuerst ganz begeistert. Der eine missd gleich an seine braune Kuh zu Haus denken, wo geradzig zum Kalben stand. Aber da unterbrach ihm der andere bei das Simmelieren und sagd: „Siehst! — Flichtlinge! Kein Hemd aufem Hintern, aber se missen sich malen lassen!" Und wie ich das heerd, fiel mir wieder de dicke Frau Sommer mit das unpraktische Bixenband ein, wo in dem Prozess wegen die Abfiehrtorte verwickelt gewesen war. Se wissen doch noch, wie se bei die Rennerei hinterm Husch nich schnell genug die verknipfte Bänder aufkriegd und denn vor Gericht Schadenersatz verlangd. Und wie se denn das beriehmte Wort sprach: „So e Hinterviertel hat bei uns ins Dorf bloß einer und das bin ich!" Zu Haus gab es wegen diese Behauptung noch wochenlang Streit mit de Frau Bundschus. Wissen Se, das is sonst e ganz orndliche Frau, de dicke Sommersche iebrigens auch, aber se wiegt hundertvierundachzig Pfund und is bloß eins sechzig groß. Nu können Se sich vorstellen, wie das aussieht! De meiste Frauen schenieren sich, wenn se dick sind. Aber die gar nich. Im Gegenteil, die is stolz dadrauf und sagt immer: „Wer hat, der hat!" Im Stilens vergleicht se sich imer mit die sogenannte Atom-Frauens im Film. Und nu war se natierlich empeert, dass de Sommersche ihr denm Rang streitig machen wolld. Hädd nicht viel gefehlt, denn hädden se im Krug e Schwergewichtskonkurrenz veranstaltet, wo sich denn ergeben solld, wem sein Fahrgestell dem Sieg davontrug. Mir wollden se als Schiedsrichter einsetzen, aber de Emma war nich dafier, weil indem dass de Frau Bundschus außerdem Witwe is und sich seit längere Zeit sehr bemieht, einem Kerdel einzufangen. Im Dorf geht das nich, da is keine Auswahl, und denn wird auch immer gleich alles bekakelt und beredt, auch wenn es noch so ehrbar zugeht. Deshalb verlegd se ihre Bemiehungen nach außerhalb und hädd sich durch ihre Schwester einem pängsionierten Beamten zufreien lassen. Der wohnd in dieselbe Stadt und suchd kleine, mollige Frau, weil er lang und dinn wie e Zwirnsfaden war und de Gegensätze sich anziehen. De Schwester wolld sich nu gern dem Kuppelpelz verdienen und hädd die beide erst brieflich zusammengebracht. Nu war in E., wo er wohnd, e scheener Maskenball von die ostpreißische Landsmannschaft, und da solld de Frau Bundschus nu hinkommen. Se ieberlegd hin und her, denn einer weiß niemals, was fier Gefahren mit dem Karneval verbunden sind, wie ich im letzten Brief all schrieb. Aber wie se denn in ihrem Horoskop fierem 11. Februar las: „Besonders ginstig fier Geselligkeit und Liebe, vor allem, wenn vom 24. bis 26. geboren", da gab se sich e Rucks und fuhr. Es stand nämlich auch noch dabei: „Von 23 bis 24 Uhr, Erfolgstendenz". Und weil se nich wussd, was das is, hat se sich bei mir befragt, und bei die Gelegenheit hat se mir alles erzählt, sonst hädd ich es ja gar nich erfahren. Se kannd von frieher bloß Essig Essenz, mit die Erfolgs-Essenz wussd se nuscht anzufangen. Deshalb hab ich ihr aufgeklärt, und da war se nich mehr zu halten. — Aber gleich aufe Bahn gab es dem ersten Ärger. „Was kost dritter hin und zerick nach E.?" fragd se. Der Beamte war e großer Spaßvogel und sagd: „Heite haben Se noch Glick! Vier Mark achzig. Von morgen ab geht nach Gewicht!" Da wurd se falsch und meind, er is bloß zu faul zum Essen und soll sich seine Anzieglichkeiten verkneifen. Aber er war nich aufem Mund gefallen: „Kneifen will ich Ihnen ja gar nich. Ich kann auch nich, denn ich komm nich mittem Arm durchem Schalter bis dahin, wo ich möchd“. Nu merkd se, dass er auch aus Ostpreißen war, und denn gab es e großes Gelächter, und se sagd: „Emmend passd es wo andermal, wenn kein Schalter nich zwischen is“. In E. war nu sonst, auch alles ganz scheen, aber es hat wieder mal nich geplappt. Se ging mit ein Fantasie-Kostiehm als Tilsitter Käs und dachd, er wird nu doch bestimmt anbeißen. Aber wahrscheinlich aß er nich gern Käs, vor allem aber kriegd er es mitte Angst, wie er ihr sah. Er wurd weiß wie de Wand und sagd zu ihre Schwester: „Nei, wissen Se, se sieht ja ganz gut aus und könnd mir schon gefallen, aber die kann ich ja mit meine bescheidene Pängsjohn gar nicht durchfittem. Und denn braucht se ja auch doppelt so viel Stoff fier e Kleider, und im Kino muss ich fier ihr zwei Plätze bezahlen. Alles dirf e Beamter tun, aber nich ieber seine Verhältnisse leben!" Selbstverständlich hat er ihr betanzt, wenn es ihm auch schwer fiel. Und se haben auch Duzfreindschaft geschlossen, wie se dem neetigen Kraftstoff intus hädden, aber weiter passierd auch nuscht, wie dass se ihm zuletzt beim Tanzen umriss und er unglicklicherweise unter ihr zu liegen kam. Da kosd es denn große Miehe, ihm lebendig und leicht beschädigt wieder vorzuziehen. Denn huckd se sich bei ihm aufem Schoß und wolld ihm treesten und streicheln. Dadrauf war aber nu wieder der Stuhl nich eingericht und brach zusammen. Bloß diesmal kam sie unten zu liegen. Inzwischen war 24 Uhr vorbei, und wie se das feststelld, da sagd se ganz geknickt: „Nu is endgiltig vorbei mit die Essenz, von jetzt ab is bloß noch Essig!" Wahrscheinlich griebelt der missglickte Bretgam und der Frau Bundschus ihre Schwester noch heute dadrieber nach, was se damit sagen wolld. Einer soll im Karnewal nich griebeln. Aber Sie, meine lieben Landsleite, sollen! Und zwar ganz geheerig, und Karnewal is ja nu auch vorbei. Wiehlen Se man kreiz und quer in Ihrem Gedächtnis-Kasten rum und puhlen Se alle ost- und westpreißische Ortsnamen raus, wo mit T. anfangen, das heiß, machen Se aller kräftig mit bei die Suchaktion, wo heite anfängt. Vergessen Se auch nich Tammowischken, Trempen und Taplacken, Tarpupönen, Trakinnen und Tiedmannsdorf! Tapiau und Tilsit haben Se ja all aufgeschrieben, ebenso Trakehnen und Tannenberg. Nu man immer weiter! Se werden sich wundern, wieviel Namen dabei rauskommen. Aber Trostmann gilt nich, weil das kein Ortsnamen nich is. Sehn Se, und Ihr Nachbar, der Herr Keiluweit, war frieher bei die Bahn und hat alle Stationsnamen im Kopp. Der kann mithelfen. Emmend sammelt er auch fier sich allein. Warum hält er iebrigens noch nich unsere „Ostpreußen-Warte". Fragen Se ihm doch mal. Die paar Dittchens kann er doch noch erschwingen! Ich hoffe sehr, dass Ihr mir nich im Stich lasst. Wir wollen doch mal alle zusammen zeigen, dass Ihr mir nich im Stich lasst. Wir wollen doch mal alle zusammen zeigen, dass wir unsere scheene Heimat noch kennen! Also man los und nich erst lang gefackelt!

Und inzwischen viele liebe Grieße von Ihrem Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A., wo sich all heite ganz aasig ieber Ihrem Sammeleifer freien tut.

 

 

Der Liebestrank

De alte Frau Gramattke war

Mit Siebensinn gesegnet.

Am Dienstagabend wussd se all,

Dass Freitag morgen regent.

Se kond besprechen, und es half

Bei Menschen und bei Tiere,

Dem Reismantismus kriegd se weg

Und Warzen und Gesrhwiere.

Se las de Zukunft auße Hand

Und konnd auch Karten legen,

Auch was e Traum bedeiten tat,

Das wußd se allerwegen.

Drum kam de Lies'che Kankeleit

Bei ihr mit ihre Schmerzen,

Das war e ganz besondrer Fall,

Es huckd bei ihr im Herzen.

Se liebd dem August Baltruschat

Und spickelierd: „Warum nich?"

Er war e Kerdel wie e Baum,

Doch hädd er keinem Mumm nich.

Dem August seine Schichternheit

War wirklich rein zum Lachen,

So wolld ihm deshalb unterm Dups

E bißche Feier machen. —

De Frau Gramattke simmeliert:

„Du musst e Mark mir geben,

Denn koch ich Dir e Liebestrank,

Das wird ihm foorts beleben.

Denn wird mit sieße Wörters er

Dir immerzu umschmeicheln,

Emmend sogar, wenn keiner sieht,

Dir iebre Backen streicheln. —

„Mehr nich?"

„Ja, wenn Du zwei Mark giebst,

Koch ich ihm bißche stärker,

Denn drickt er fest Dir an sein Herz,

Bloß, wie gesagt — zwei Märker!" —

„Nu, is egal, ich geb Dir drei! —

„Ja, denn wird er Dir butschen

Und abends vore Hausentier

Das Maulche Dir belutschen“.

„Weißt", sagt de Lies'che, „ich hab mir

So lang all missd gedulden,

Drum koch mir man zur Sicherheit

Gleich einem fier fimf Gulden“.

Dr. Alfred Lau.

 

 

De röchtje Jespann /  JeSpantl / Von Wanda Wendlandt

Dat ös all lang her, dao jing doch wedder de leewe Gottke öwre Eerd, öm, so wie dat so sien Jewohnheit weer, to viseteere, wat de Mönsche so op sien leew Eerd anjäwe deede. On de heilje Peterke weer nischgierig jewese un wull dat doch ook maol beläwe un had dem lewe Gottke jeprachert, dat he em mötnehme sull. Na un de lewe Gottke hadd em denn ook mötjenaohme un nu schraggeld de Ohlerke anne Sied vonnem lewe Gottke un hadd so sien Not, Schrött to hohle, denn sien lang Mantäng schlog em ömmer mang siene ohle staokrije Beene un daobie brennd em ook noch de Sönnke so heet op sienem kaohle Blei, denn se jinge äwre Feld un wied un breed weer dao kein Boom un kein Husch, wo Schatte jäwe kunn. De heilje Peterke hadd all so hen un wedder e bät jestähnt un naoh Loft jejappt un dröm schiend em dat rein e jefundne Fräte, wi dao e Buur vonne Feld runderbog möt sien Ossefohrwark un oppe Wech schliesert. „Wöll wi dao nich e Endke mötfaohre?" proschd he dem lewe Gottke. Na de lewe Gottke seej jao, wi dat möt dem heilje Peterk bestelld weer, he fraogd dem Buur wejen Mötnehme un se klatterde beide oppe Waoge un huckde söck oppe Schlacker. Na da jing nu aower: Kömmst nich hiede, kömmst doch morje — äwermorje ganz jewöß! Denn de beide Osse de weere vonne Sort, wo dochte: Von Spoode ös de Katt jestaorwe un häft vonne Renne dem Tod jekräje, se kraope dao dem Wech lang so langsaomkes wi e Luus äwre Schorf. Un alle Näs lang blewe se ganz staohne un schlackerde motte Ohre un de Buur weer all ganz heesch von alle Porre un Raohre, un Bälke: Hüh un hotran — un warschd Du gaohne, Du fuul Lorbaß! Du fuul Stöck Mest nu röhr Di bloß!

 

Na dat wurd denn nu doch dem heilje Peterke bold rein to väl un weil se doch nu so gaonich värankehme un dao hinde oppe Scblacker önne Sönnke schmorde wi de Stintflinse önne Flinsepann un weil dao nu ook graods e groot Husch Vaogeltröttholt anne Wech önne Söcht keem, dao bedankte se söck välmaos bi em Buure un klatterde runder vonne Waoge un kroope önne Schatte vonnem Husch, dat se söck doch kunne e bat terkowre.

 

Na se huckde dao so e kleen Stundke un kickde önne scheene Gotteswelt, dao keem dat doch op eenmaol anjebruust rein wi de Leibhaftje un ehr se noch e Wordke sejje un öm Mötfaore heesche kunne, weer dat all värbie: E Paor junge Väss hadde dem Zaogel piel önne Höcht un dem Kopp mangke Beene un Heidi! Zieldraoht! jing dat möt Pruste un Forze, rein als wenn de Diewel Höltkes scheddert. De Buur had dem Mötz verloare un kunn söck man graods anne Duhnflechte anklammre un hohle, vonnem Sötzbrett weer he all lang runderjeschorrt. „Bewaohr ons de lewe Gottke!" schreej de heilje Peterke. „Dao stohne eenem jao rein de Haor to Barg!" „Na dat kann Di jao nich mehr passeere!" lachd de lewe Gottke.

 

Na dat weer nur all Vesper värbi un se klabasterde söck denn nu op, dat se noch bät annem Därp kaome wulle. Aower wi se denn annem Kriezwech keeme, dao wussde se nich recht Bescheed, wo dat wieder jing. Dao kickd söck de heilje Peterke öm un seej dao oppe Graowebord e lang Lulatsch, wo söck fuul oppe Heejkeps aohld un de Tähne önne Sönnke spield. De plierd bloß möt eenem Oog un kaud wieder ann sienem Grashalm, wi dem de heilje Peterke naoh em Wech fraog, un wiesd bloßig mötte Spötzke vonem groote Teh önne Röcht, wo vleicht de Wech awjing. „Na so e fuul Krät!" schömpt de heilje Peterke, „sowat hebb eck denn noch nich beläwt — fuul wi e Rung! — Wenn dem fraogst: Fuuler völlst e Ei? denn kröjst to heere: Jao — wennehr e jeschellt ös!"

 

De heilje Peterke zackereerd noch e bät wieder, aower denn kreej he oppe ander Graowebord e Marjelike to sehne, de huckd dao möt blanke Oogkes un glattjescheetelt jähle Haor un hot de Jissel un ströckd daobi an eenem schwart un rod jeringeldem Sock. De sprung foorts op, noch eher de heilje Peterke röchtich gefraogt had, streek söck dem rendliche Schertke glatt un lacht wi de lewe Sönnke, rennd möt rasche Feetkes värut un wiesd möt Fingerke un Koppke dem Wech un maokt e Knickske un jrößt möt Ade un Good Wech,

 

„Dat ös mi doch e trutst Marjellke!" freid söck de heilje Peterke. „Dao kann eener doch noch mal sien Hartensfreid daoran hebbe! So e fein un nietliche Marjellke michd eener doch rein ook wat to Leew dohne“. — „Jao", säd de lewe Gottke, „dat sull ook! Dao sull se ook dem lange fuule Lulatsch frie un to e Mann krieje“.

 

„Wat?" schreej de heilje Peterke, „dem fuule Luntruß? Dat ös doch woll nich Dien Eernst - dat kan eck Di nich glowe —"

 

„Jao, jao, dat mottst Du woll!" säd de lewe Gottke. „Eck weet ömmer wat eck doh: et mott ömmer e Fuuler möt em Flietje tohop jespannt ware, sonst verhungre de Fuule un de Flietje rackre un rachussre söck to Dod!"

 

 

Seite 14   Alle Ost- und Westpreußen machen mit!

Kotzlauken Pupkum Willpischen

Wir suchen heimatliche Ortsnamen – Buchpreise für die erfolgreichsten Sammler.

Heute beginnt die „Ostpreußen-Warte" mit einer „Fahndungs-Aktion". Wir wollen möglichst viele Namen ost- und westpreußischer Orte aus unserer Erinnerung zusammensuchen, und alle Landsleute sind herzlichst eingeladen, sich an diesem Suchdienst eifrig und tatkräftig zu beteiligen. Natürlich legen wir großen Wert auf die zahlreichen besonders eigenartigen Ortsbezeichnungen, von denen drei als Beispiele in der Überschrift prangen, aber den Vorrang soll in jedem Falle die Zahl der Namen haben. In der Januar-Ausgabe erschien ein Gedicht, in dem schon eine ganze Menge besonders origineller Namen zusammengestellt war. Es gibt noch viel mehr davon, und daneben gibt es die große Zahl der allgemein bekannten Städte und Dörfer unserer Heimat. Jeder Name zählt, und die drei Landsleute, die die meisten Namen finden und ihre Listen einreichen, werden für ihren Sammeleifer mit Buchpreisen belohnt­­­­. Diese Suche ist mehr als ein fröhlicher Zeitvertreib, sie ist auch ein Stück Heimatpflege, deshalb machen Sie, bitte mit. Sehen Sie immer genau die „Ostpreußen-Warte" durch, in der laufend Ortsnamen erscheinen. Die Hauptsache ist, dass Sie recht viele Namen finden. Aber bitte, keine Phantasienamen, sondern nur solche, die es wirklich gab!

 

Damit in die Sammelarbeit eine gewisse Ordnung kommt, wollen wir jeweils Ortsnamen mit dem gleichen Anfangsbuchstaben suchen und aufschreiben, zum Beispiel mit dem Buchstaben M:

 

Mehlauken,

Mallwischken,

Marienburg,

Mehlkehmen,

Memel,

Marienwerder,

Moditten,

Mertinsdorf,

Mohrungen,

Muskaken,

Matheningken,

Mühlhausen,

Metgethen,

Mellneraggen,

Medenau,

Mehlsack usw.

 

Das sind erst 16, wie viele fehlen wohl noch. Denken Sie daran. Dem Such- und Sammeleifer  sind keine Schranken gesetzt. Je mehr, umso besser!

 

Heute erfolgt nun der Start, und zwar dem Buchstaben T. Stellen Sie, bitte, alle ost- und westpreußischen Ortsnamen mit T zusammen, die Ihnen einfallen, und nummerieren Sie sie laufend. Kramen Sie in der Erinnerung herum. Sprechen Sie mit anderen Landsleuten, besonders mit solchen, die unsere „Ostpreußen-Warte" noch nicht regelmäßig lesen, damit sie Ihnen helfen oder selbst zur  Mitarbeit angeregt werden. Verbinden Sie das Angenehme mit dem Nützlichen, d.h. denken Sie daran, dass es für jeden neu geworbenen Bezieher, dessen Anschrift Sie mitteilen, ohnehin eine Buchprämie gibt. Senden Sie Ihre T-Liste nicht sofort ein, sondern lassen Sie sich damit ein bisschen Zeit. Sie werden sehen, dass immer neue Namen hinzukommen. Aber versäumen Sie auf keinen Fall den letzten Einsendetermin, das ist der 23. März 1956 (Poststempel). Später abgesandte Zuschriften können nicht mehr bewertet werden. Alle Sendungen dieses Suchdienstes gehen an Dr. Alfred Lau, Bad Grund (Harz), Hübichweg 16, der sich freundlicherweise bereit erklärt hat, die Einsendungen zu sichten und die Preisträger zu ermitteln. Nur der Ordnung halber sei vermerkt, dass aus der Beteiligung an diesem Wettbewerb kein Rechtsanspruch herzuleiten ist. Die von Herrn Dr. Lau getroffene Entscheidung ist nicht anfechtbar. Alle Sammelergebnisse gehen in das Eigentum der „Ostpreußen-Warte" über. Die Ergebnisse und die Namen der erfolgreichsten Sammler werden in der Aprilausgabe bekanntgegeben. In derselben Nummer wird auch der neue Sammelbuchstabe mitgeteilt, denn die Suche geht weiter.

 

Und nun ans Werk! Die „Jagd" beginnt!

 

Wer findet die meisten ost- und westpreußischen Ortsnamen, die mit dem Buchstaben T anfangen.

 

Viel Freude und Erfolg bei der Sammelarbeit wünscht Ihnen Ihre „Ostpreußen-Warte"

 

 

Seite 15   Unser Landsmann Walter Perband

verschied an den Folgen eines tragischen Unglücksfalles völlig unerwartet am 16. Februar 1956 im 57. Lebensjahre. Er war der Gründer der Landsmannschaft Ostpreußen in der Landeshauptstadt Stuttgart.

 

Einer der allerbesten unserer Landsleute ist mit ihm dahingegangen. Mit seinen Ahnen und seinem uralten Namen war er noch in dem alten Preußentum des Samlandes in der Heimat verwurzelt. All sein Sehnen war, unermüdlich tätig zu sein, um die Heimkehr vorzubereiten. Jederzeit bereit, auch jedem Einzelnen mit seinen Erfahrungen auf den verschiedensten Arbeitsgebieten zu helfen, wurde seine Arbeit besonders dadurch gefördert, dass ihm in weitesten Kreisen der öffentlichen Verwaltung und nicht nur in den Kreisen der Landsleute Vertrauen entgegengebracht wurde.

 

Walter Perband wird nicht nur von seiner Lebensgefährtin, einem Sohn und einem Enkel aufs tiefste betrauert, sondern auch von seinen Landsleuten und Freunden. In ihrem Kreis wird er weiterleben als leuchtendes Beispiel für die Pflichterfüllung seinem Volke und seiner Heimat gegenüber.

 

 

Seite 15   Aus den Landsmannschaften

Fröhliche Heimatabende überall. (Foto)

Dr. Lau bei den Landsleuten in Melle, Bad Essen und Altenbruch

In den letzten Wochen haben unsere Landsleute einmal die Alltagssorgen beiseite gepackt und sich überall zu fröhlichen Festen versammelt. Immer, wenn das Wochenende kam, packte auch Dr. Lau seinen Koffer und begab sich auf die Reise zu den Ost- und Westpreußen, die ihn riefen, um mit ihm und durch ihn frohe Stunden in heimatlicher Erinnerung zu verleben. Die ihm verliehene Gabe, mit seinen lustigen mundartlichen Vorträgen und seinem schlagfertigen Witz die Landsleute zu erfreuen und „trauste" Bilder der Heimat in ihnen wachzurufen, ist einmalig. Volle Säle und begeisterter Beifall danken ihm. Sie sind, wie er sagt, sein schönster Lohn für diesen Dienst an der Heimat.

 

So war er kürzlich in Melle bei Osnabrück. Der Vorsitzende, Herr Landrat a. D. Heidrich, hatte zu dieser Veranstaltung eingeladen, die in dem schönen Kurhaus stattfand, dessen Pächter übrigens der frühere Besitzer des Hotels Jägerhöhe bei Angerburg, Herr Heinrich, ist.

 

Dann kam Bad Essen an die Reihe, wo der Vorsitzende, Herr Konrektor Zimmermann, imKurhotel Höger zahlreiche Landsleute begrüßen konnte, die zum Teil aus der Umgebung mit Sammelomnibussen erschienen waren. Unter den Gästen befand sich auch der stellvertretende Landesvorsitzende des BVD Herr von Wangenheim und Ratsherr Karkowski vom BHE. Dr. Lau schöpfte aus dem Vollen. Gedichte und Prosa, Mundartliches und ostpreußisches Platt, sprühender Witz und innige Besinnlichkeit wechselten im bunten Reigen. Die Stimmung war großartig und die Gäste kamen voll auf ihre Kosten.

 

Genau so fröhlich ging es in Altenbruch bei Cuxhaven zu, wo der schöne Saal des Hotels „Deutsches Haus" viele Landsleute sah, die bis in die frühen Morgenstunden zusammenblieben. Der Vorsitzende, Herr Kurt Bublitz, nahm unseren „Landbriefträger Trostmann" das Versprechen ab, bald wiederzukommen.

 

Stade

Der aus Tilsit stammende Gastwirt Konrad Tobaschus eröffnete hier die alteingeführte Gaststätte „Zum Sandkrug“. Das Lokal ist innen völlig neu gestaltet worden. Wir wünschen unterem Heimatfreund auf diesem Wege viel Glück und Erfolg.

 

Lüchow.

In der letzten Zusammenkunft der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen, die erste nach einer Unterbrechung von nahezu einem Jahr, fasste man den Entschluss, die landsmannschaftliche Arbeit wieder zu intensivieren. Die Zusammenkünfte sollen von nun an wieder monatlich stattfinden, und zwar jeweils am ersten Montag im Monat im „Lüchower Hof", beginnend am 5. März — Der neugewählte Vorstand setzt sich wie folgt zusammen: 1. Vorsitzender Milkoweit, Stellvertreter Altrock und Becker. Schriftführer Klein, Kassenführer Labusch, Kulturwart Koll, Beisitzerin für Frauenarbeit Frau Wstmnolf. Der Jugendarbeit soll künftig besonderes Augenmerk gewidmet werden.

 

Celle.

Die Kreisgruppe Celle Stadt und Land der Landsmannschaft Westpreußen schenkte in ihrer Jahreshauptversammlung den bisherigen Vorstand, dem die Landsleute Patschke, Karp, Berndt und Enders angehörten, durch einstimmige Wiederwahl auch weiterhin ihr Vertrauen. Die Versammlung schloss mit Tonfilmvorführungen, die reichen Beifall fanden.

 

Wunstorf.

Das schon traditionelle „Fleckessen", zu dem sich einmal im Jahr die Mitglieder der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen und der Danziger treffen, sah auch in diesem Jahre wieder eine fröhliche Runde im „Hotel Büsselberg". Für Stimmung und Unterhaltung sorgten die Heimatfreunde Joppien, Ullrich und Rohde. Nicht zuletzt ist das Gelingen dieses Abends Frau Stockmann und Frau Ullrich zu danken, die die Veranstaltung sorgsam vorbereitet hatten.

 

Schneverdingen

Die Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen im Hotel „Schneverdinger Hof" erfreute sich eines guten Besuchs. Die Vorführung einiger Heimatfilme wurde freudig begrüßt. Schriftführer Baranski gab den Bericht über die Arbeit des zurückliegenden Jahres und wies besonders auf die erfreuliche Tatsache der ständig wachsenden Mitgliederzahl hin. Die Neuwahl brachte folgendes Ergebnis: 1. Vorsitzender Kaska, 2. Vorsitzender Grisée, Schriftführer Baranski, Kassierer Buschmann.

 

Fallingbostel.

Zu der Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft Ordensland konnte der 1. Vorsitzende Amling zahlreiche Landsleute begrüßen. Amling gab einen Bericht, in dem er die heutigen Verhältnisse in der Heimat treffend beleuchtete. — Bevor zur Neuwahl geschritten wurde, bat Landsmann Amling aus gesundheitlichen Gründen von seiner Wiederwahl abzusehen. Einstimmig wurde sodann Kurt Mroß zum 1. Vorsitzenden gewählt, Amling blieb als 2. Vorsitzender weiterhin im Vorstand. Schriftführer: Fritz Mroß, Kassiererin: Frau Amling.

 

 

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Gesucht wird aus Königsberg in Preußen, Sedanstraße 12, Alfred Jodeit, geb. am 10.05.1930 in Königsberg i. Pr., von seiner Mutter Luise Jodeit, geborene Brunn, geb. am 12.03.1910 in Kbg. Alfred ging im Sommer 1947 von Kummerauer Str. 24a nach Litauen. — Weiter suche ich meine Nichte aus Königsberg i. Pr., Sedanstr. 12, Irmgard Brunn, geb. 11.04.1928 in Königsberg i. Pr., von ihrer Tante Luise Jodeit, geborene Brunn, geb. am 12.03.1910 in Kbg.. Irmgard war am 09.04.1945 in der Dinter-Schule am Sackheimer Tor. Meine jetzige Anschrift ist: Luise Jodeit, Oberhausen/Rheinld., Margaretenstraße 47.

 

Gesucht werden: Ernst Duschön und Frau Grete Duschön, geb. Ewers und Eltern Ewers, die in Königsberg/ Pr., Lizentgrabenstraße, oder in der Nähe davon gewohnt haben. Nachrichten erbeten an die Ostpreußen-Warte, Göttingen.

 

Margarete Rockel, aus Korschen, Kreis Rastenburg, Ostpreußen, geb. am 21.11.1921 zu Reichenbach, Ostpreußen von ihrer Tante Lina Hoffmann, Hesel, Kreis Leer/Ostfriesland, Altersheim. - Sie hatte von Zoppot bei Danzig die letzte Nachricht gegeben.

 

Wer von den letzten Heimkehrern kennt den Pionier-Feldwebel Helmuth Perlowsky aus Drengfurt, Kreis Rastenburg, Ostpreußen, geb. am 21.11.1908. Er war während der ganzen Kriegsdauer bei der Feldpost-Nr. 15 858, und soll in Zinten, Ostpreußen, unverwundet in russ. Gefangenschaft gekommen sein. Nachricht erb. Lehrer Kurt Perlowsky, Egels, Kreis Aurich, Ostfriesland.

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